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Radiergummitage

Miriam Pielhau – Radiergummitage

Ihr Lieben!
Seit gestern ist offiziell Herbst. Raschelndes buntes Laub, Kastanien – aber auch Regen und unangenehmere Temperaturen sind davon die Folgen. Beste Zeit also um endlich wieder mit den Buchbesprechungen durchzustarten. Denn da hat sich im Sommer so einiges angesammelt. Also los 😉

Kennt ihr Lovelybooks? Das ist wohl eine der größten, deutschen Buchgemeinschaften im Netz und ich bin seit einigen Monaten dort auch am Start. Und lustiger Weise konnte ich gleich zu Beginn ein Buch gewinnen, von dem ich nun, nachdem ich es endlich geschafft habe, es zu lesen, positiv überrascht bin. Die Rede ist von Miriam Pielhaus „Radiergummitage“.

„Radiergummitage. So hießen Tage, die ein Fall waren für den Radiergummi des Universums. Tage, die Maja Pauly im Kalender gedanklich mit lauter wütendem Gekrickel überzogen hatte, weil sie dem ureigenen Maßstab nach misslungen waren. (…) Rubbel, Rubbel. Wisch, wisch. Und wieder alles blütenweiß. (…) Aber das ging leider nicht. Schönheitschirurgie am Leben? Eine Marktlücke. (…)

Maja Pauly war an erstaunlich vielen der 12.745 Tage, die sie sich auf dieser Welt befand ein tauglicher Typ. Frau Friedlich und Frau Freundlich in einer Person. (…) Wurde sie, was nicht so oft vorkam, allerdings doch einmal gepiesackt, konnte sie auch fies werden. Dann bekam die Welt ihre pechschwarze Seite zu sehen. Die Damen Friedlich und Freundlich wurden zum Teufel gejagt, und Maja mutierte zum Teilzeit-Ungeheuer. Und das ärgerte sie. (…)
Maja hatte schon lange keinen Radiergummitag mehr zu verbuchen gehabt. Bis heute.“ (S.9f.)

Maja ist eine relativ erfolgreiche Schauspielerin am Braunschweiger Theater, sie ist Single, hat so gewisse Verständigungsschwierigkeiten mit ihrer Mutter und wertet ihr Leben insgesamt als mittelprächtig. Kein totaler Super-GAU, aber das große Glück eben auch nicht. Doch ihr droht nun etwas, vor dem sie schon immer eine völlig irrationale Angst hatte: der 35. Geburtstag. Müsste sie in diesem Alter nicht eigentlich weise sein und schon Mann, Kind und Haus vorweisen können? Um diesen Zweifeln und dem ihrer Meinung nach vorprogrammierten Unglücksjahr vorbeugen zu können, beschließt sie, sich jeden Monat eine Aufgabe zu stellen, an der sie wachsen kann. Zu Beginn läuft alles ganz entspannt – doch dann erhält sie eines Tages einen Brief mit einer neuen Aufgabe, die es ganz schön in sich hat…

„Radiergummitage“ ist Miriam Pielhaus Romandebüt. Die ansonsten wohl als Moderatorin bekannte Frau hat hier eine Hauptperson geschaffen, die herrlich schrullig, ein bisschen verquer und dabei doch irgendwie immer ganz natürlich und normal ist. Mit charakterlichen Höhen und Tiefen versucht sie ihr, ihrer Meinung nach nicht ganz ausgegorenes Leben zu bewältigen. Durch die Aufgaben stellt sie sich konsequent Situationen, die eine Art Ausfallschritt aus der gewohnten Komfortzone darstellen. Dabei sind einige nachvollziehbar (Urlaub allein machen, eine Geburt erleben), andere wiederum klingen doch ein bisschen nach Sex and the City (eine Frau küssen, anonymen Sex haben) und schlagen damit wohl meiner Meinung nach etwas mit der Klischeekeule.
Dennoch bleibt die Protagonistin immer an der Frage dran, wie es sich in Würde altern lässt. Ihren Weg mitzugehen hat in den meisten Fälle einen amüsanten Effekt, denn Pielhau versteht es wirklich humorvoll zu erzählen und spielt auf angenehme Weise mit der Sprache, ohne dass sie unhandlich wird oder einem quer im Magen liegt. 
Dass am Ende nicht Maja die Antwort auf ihre Frage gibt, sondern jemand ganz anderes, ist wohl der entscheidende Dreh an diesem Roman, der ihn im Nachhinein auch davor bewahrt zu sehr in seichte Gewässer zu driften. Denn auch wenn das Buch mit viel Augenzwinkern zu lesen ist, ab und an vielleicht auch ein bisschen vorhersehbar wird und insgesamt vielleicht keine außergewöhnliche Geschichte erzählt, so ist doch genau das wohl der entscheidende Punkt, der es so charmant macht. 

Mein Fazit: Es ist keine Überraschung, dass der Roman wohl die Zielgruppe Frauen hat. Er ist amüsant, keine schwere Kost, nett für Zwischendurch. Dies ist jedoch keine Kritik, sondern eine Feststellung. Denn positiv an dieser Leichtigkeit ist, dass dadurch ein wichtiges Thema fast schon unbemerkt und somit eigentlich sehr intelligent verhandelt wird, ganz unaufdringlich, unaufgeregt. Ein Thema, das uns alle betrifft: Altern. Und dieses sollten wir wohl wirklich so nehmen, wie der Roman: mit Humor. Wem das Genre zusagt, kann also beruhigt zu diesem Debüt greifen! 

Die harten Fakten:  

Miriam Pielhau – Radiergummitage.
9,99 €
erschienen im Dumont Verlag
ISBN: 978-3-832-16262-7
Vielen Dank an Lovelybooks für diesen Buchgewinn. Die Rezension ist komplett kosten- und bedingungslos verfasst. 
Das Leben ist ein listiger Kater

Marie-Sabine Roger – Das Leben ist ein listiger Kater

Ihr Lieben!
Nach dem ich auch schon die beiden letzten Romane von Marie-Sabine Roger gelesen und dabei gleichzeitig lieben gelernt habe, war es natürlich klar, dass ich auch ihr drittes in Deutschland erscheinendes Werk schnellst möglich in den Fingern halten wollte, um es buchstblich zu verschlingen. Als ich dann sogar die Gelegenheit bekam, es als Rezensionsexemplar für den neuen Verlag, welcher den Titel herausgibt, durchzuarbeiten, war schier kein Halten mehr. Nun kann ich euch also die Rezension zu Marie-Sabine Rogers neuestem Werk „Das Leben ist ein listiger Kater“ präsentieren.

„Ich will ja nicht angeben, aber so mit sechs, sieben Jahren hatte ich in Sachen gesetzlich verbotener Straftaten schon einiges ausprobiert. Raubüberfall, Nötigung, Erpressung… In Puncto Nötigung hatte ich versucht, Marie-José Blanc zu küssen. Sie biss die Zähne zusammen, deswegen kam ich nicht weit. Aber die Absicht zählt. (…)
Seitdem ist eine Menge Wasser unter den Brücken durchgeflossen. Und kürzlich wäre ich beinahe mit davongeflossen: Vor ein paar Tagen wurde ich in letzter Minute mitten aus der Seine gefischt. (…)
Ich wachte auf der Intensivstation wieder auf, mit einem Polytrauma – das macht doch was her, oder? – und bewacht von einem besorgt wirkenden Polizisten. (…) Schließlich drangen ein paar Fetzen zu mir durch: ‚Haben Sie vielleicht eine Ahnung, was Ihnen passiert ist? Wir treten nämlich mit unserer Untersuchung im Moment auf der Stelle…‘ 
(…) Ich drehte den Kopf leicht hin und her, nur eine Spur, aber genug, dass sich die Zimmerdecke drehte und die Matratze schwankte. Tut mir leid. Keine ahnung, wie ich hierhergeraten bin. Er stellte mir eine weitere Frage, die eine Weile brauchte, bis sie bei mir ankam. Bevor mir die Augen wieder zufielen, schüttelte ich noch einmal den Kopf. Nein: Ich hatte nicht versucht, mir das Leben zu nehmen. Ich bin nicht selbstmordgefährdet. Das erledigt sich mit der Zeit von selbst.“
Jean-Pierre ist verwitweter Rentner, kinderlos, besitzt kein Haustier und bezeichnet sich selbst wohl mit allem Recht als eigenbrödlerischen Alten, der am liebsten einfach nur seine Ruhe haben will. Dieser Wunsch wird ihm jedoch nicht erfüllt, liegt er doch nach einem mysteriösen Unfall auf der Intensivstation und muss sich von überarbeiteten Krankenhauspersonal, anderen Patienten, dem jungen Polizisten, der seinen Fall untersucht und sogar von seinem Retter einiges gefallen lassen. Niemand schließt seine Tür, die Ärzte sehen ihn nur als Ansammlung seiner Verletzungen und die peinlichen Höflichkeitsbesuche seines Bruders, mit dem er leider so gar nichts gemein hat, außer seinen Eltern, zerren enorm an seinem Nervenkostüm. Stoisch erträgt er die ganze Situation und kann eigentlich kaum erwarten, sich endlich wieder Daheim in seiner Einsamkeit zu suhlen – da begegnet er der herzensguten Krankenschwester  Myriam, die in ihrer fröhlich-geschwätzigen Art den alten Grießgram zu knacken beginnt. Plötzlich sind die Besuche des jungen Polizisten gar nicht mehr so erschöpfend, bemerken sie doch überraschende Geminsamkeiten. Auch die kleine Rotzgöre, wie Jean-Pierre eine 14-Jährige Mitpatientin herzlich tauft, welche sich ungefragt bei ihm einnistet, um ihm seinen Computer für Facebook abzuluchsen, wird mit jedem Besuch weniger lästig. Und als er schließlich seinem Retter von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht und von dessen harten Schicksal erfährt, beschließt der knurrige Rentner einen Schritt, den er noch wenige Tage zuvor niemals für möglich gehalten hätte…
Mit Biss, Witz, einer ordentlichen Prise Sarkasmus und der darin gut verpackten Wahrheit ausgestattet, ist Jean-Pierre ein Ich-Erzähler, an dem man vom ersten Wort an so seine Freude haben wird. Ganz getreu dem Motto, wenn das Leben dir Zitronen gibt, frag nach Salz und Tequilla, versucht er die ihm zwangsauferlegte Pause von seiner Einsamkeit damit zu überbrücken, seine Memoiren zu schreiben. Doch das Krankenhaus ist dafür wahrscheinlich der ungünstigste Ort überhaupt, wird der alte Mann doch ständig in seinen Erinnerungen an seine Jugend, seine Familie und dem Leben mit seiner Frau unterbrochen. Dennoch wird deutlich, dass er schon immer ein harter Hund gewesen sein muss, früh das Fernweh in der Brust und, zwar den Genüssen der Welt zugetan, aber doch nie völlig bei jemand anderem als sich selbst. 
Doch dieses Verhalten hat ihm noch nicht gänzlich den Blick auf die Realität verbaut und so geht er nicht nur mit seiner Familie, sondern auch mit sich selbst ehrlich ins Gericht. Die dabei in ihm wieder aufgewühlten Erkenntnisse sind wahrscheinlich der Ausschlaggeber für sein sich bedächtig, fast unmerklich abwandelndes Verhalten seiner Umwelt gegenüber. Denn aus dem grummeligen alten Sack, wie er sich selbst beschreiben würde, wird schließlich „Opa Jean-Pierre“.
Diese Wandlung, die mit so viel Humor und Liebe zum Detail von der Autorin dargestellt wird, mitzuverfolgen, war ein großer Spaß für mich. Es gab kaum ein Kapitel, welches ich nicht mit wenigstens einem Schmunzeln, wenn nicht gar einem lauten Lachen beschlossen habe. Doch auch die anderen Charaktere bestechen mit ihrer Art und Weise. Roger hat es geschafft, sie alle recht plastisch und echt zu zeichnen. Jeder hat seine eigene Sprache, seinen eigenen Ton und die entsprechenden Nuancen. 
Und auch wenn bis zum Schluss nicht klar ist, aus welchem Grund der Roman eigentlich diesen Titel trägt und ich mir diese Frage immer und immer wieder gestellt habe, so ist die letztendliche Aufklärung dieser alles Rätseln wert und so typisch Marie-Sabine Roger, dass es eine wahre Freude ist.
Mein Fazit: Ich habe schlicht und ergreifend nichts auszusetzen an diesem Buch. Amüsant, abwechslungsreich, herzlich und dabei dennoch immer auch sehr weise. So ist die Autorin, so sind ihre Bücher. Marie-Sabine Rogers dritter Roman ist vielleicht ihr bisher bester. Absolute Leseempfehlung!
Die harten Fakten:
Marie-Sabine Roger – Das Leben ist ein listiger Kater.
19,99 €
erschienen im Atlantik Bücher Verlag
ISBN: 978-3-455-60002-5

Ich bedanke mich beim Atlantik Bücher Verlag für die kosten- und bedingungslose Bereitstellung dieses Rezensionsexemplares!
Der Tod fährt Audi

Kristian Bang Foss – Der Tod fährt Audi

Ihr Lieben!
Endlich komme ich dazu, auch die Rezension für den letzten Leckerbissen von der Leipziger Buchmesse zu schreiben. Das Buch hatte ich mir schon im Januar aus der Vorschau des Verlags ausgeguckt und mich sehr gefreut, dass ich es dann auch zugesendet bekam. Es versprach ein herrlich ironisch-witziger Roadtrip zu werden, wie ihn wohl nur Skandinavier schreiben können: Kristian Bang Foss „Der Tod fährt Audi“.

„Schließlich ging es so nicht mehr weiter. Geplagt von Übelkeit und dem üblichen Kater, nahm ich die S-Bahn in die westlichen Vororte und stieg in Stentofte aus. Ich hatte ein Bewerbungsgespräch. (…) Es handelte sich um eine Stelle als Pflegehelfer.
Ich war noch nie in Stentofte gewesen, und als ich an der S-Bahnstation stand, wusste ich auch, warum. Falls Hieronymus Bosch oder Bruegel 2008 gelebt hätten, hätten sie nicht Skelette missbrauchter Freudenmädchen, im Fegefeuer brutzelnde Menschen oder alles verwüstende Totenheere gemalt, sondern Stentoftes Beton. Wenn du nicht an die Hölle glaubst, setz dich in die Linie B und fahr nach Stentofte. (…)
Während ich vor der Wohnungstür wartete, hörte ich Waldemar auf der anderen Seite mit dem Riegel und der Sicherheitskette rasseln. Ich ahnte, dass sein Nachbar mich durch den Türspion beobachtete. Dann wurde geöffnet.“
Manchmal kommt es knüppeldick im Leben – so auch bei Asger. Von Beruf eigentlich Werbetexter in Kopenhagen, verpatzt er eine Kampagne aufs grandioseste und wird erst von seinem Chef gefeuert und dann von seiner Freundin verlassen. Der junge Mann verbringt daraufhin viel Zeit mit seinem Kumpel, dem Fernseher, welcher ihn mit seiner guten Freundin, der Bierflasche, bekannt macht. 
Irgendwann steht Asger allerdings fast vor dem Nichts und muss sich aus diesem Loch herauskämpfen. Ein Job soll helfen. Doch als er bei Waldemar landet – einem jungen Mann Anfang 20, vom Schicksal mit allerlei Syndromen und Krankheiten gebeutelt – zweifelt er zunächst an diesem Entschluss. Schnell wird jedoch deutlich, dass die beiden, so verschieden sie eigentlich sind, doch ein gewisses Verständnis füreinander haben und den zynischen Blick auf das Leben teilen. Diese ungewöhnliche Freundschaft gipfelt schließlich in dem spontanen Beschluss Waldemars, gemeinsam nach Marokko zu fahren, um sich dort von einem ominösen Wunderheiler retten zu lassen.
Es beginnt ein aberwitziger Roadtrip, der sich von nichts und niemandem aufhalten lässt – selbst nicht von ihrem mysteriösen Verfolger in dem schwarzen Audi.
Spontan erinnert das Szenarium an den französischen Hit „Ziemlich beste Freunde“. Allerdings wird schnell deutlich, dass die hier geschilderte Geschichte einen ganz anderen Drall inne hat, als die wahre Geschichte von Philippe Pozzo di Borgos. Sie ist bissiger, abgedrehter, skurriler. 
Die beiden Hauptcharaktere scheinen auf den ersten Blick nicht sehr auffällig. Ein Werbetexter, der in der Finanzkrise seinen Job verloren hat und ein kranker junger Mann im Rollstuhl, der sein Leben in bescheidenen, ja trübsinnigen Verhältnissen fristet. Schon fast grauenhaft gewöhnlich. Doch Waldemar ist nicht der stumm leidende Engel, der am Ende erlöst wird. Er ist stur, stellt sich taub, wenn ihm etwas nicht passt und versucht alles, um seinen Kopf durchzusetzen. Asger ist davon zunächst beeindruckt, hat er doch längst aufgegeben, obwohl ihm das Leben nicht halb so viele Hindernisse gestellt hat, wie seinem Schutzbefohlenen. Er lässt sich also überreden und begeistern, obwohl im unterschwellig die ganze Zeit die Wahrheit droht. Doch von Waldemars Beispiel inspiriert, schluckt er die Gewissheit über diesen eigentlich hirnrissigen Trip durch halb Europa hinunter. Und so auch der Leser.
Er wird mitgenommen auf diese Reise und durchlebt in locker-leichter Art die verschiedenen Stationen. Es könnte alles so schön sein – fast schon idyllisch – wenn Waldemars Schwächeanfälle die heitere Stimmung nicht immer wieder durchbrechen würden. Dadurch wirkten manche lustige Szenen fast schon aufgesetzt. Vielleicht sollte es ein Blick auf das Leben sein, welches manchmal dazu neigt, eine regelrechte Farce zu sein? Es bleibt insgesamt auf jeden Fall ein bitterer Beigeschmack, selbst wenn eine große Party geschmissen wird. 
Dieses etwas seltsame, unterschwellige Gefühl verstärkt sich gen Ende des Romans immer mehr. Die Angst, die Asger um seinen Freund erleidet, ist greifbar und steht wie eine Wand zwischen dem Geschehen und dem Leser. Dazu der immer wieder auftauchende, seltsame Geselle im Wagen hinter ihnen, welcher leider bis zum Schluss nicht erklärt wird. Denn, auch wenn der Titel des Buchs ihn als den Tod entlarvt – so ist er auf keiner Seite wirklich als solcher endgültig erkennbar und der Leser bleibt verwirrt zurück. 
Für mich persönlich hat „Der Tod fährt Audi“ sehr stark begonnen und sich im letzten Drittel allerdings ein wenig verloren. Es liegt nicht an der stetig indirekt über den Akteuren schwebenden Gefahr und auch nicht am Schreibstil von Kristian Bang Foss – der nebenbei gesagt im Gegenteil sogar wirklich amüsant ist. Irgendwie kam das Ende mir zu plötzlich und wirkte auf mich zu irreal. Es gibt für meinen Geschmack einfach einige Fäden zu viel, die sich lose verlaufen und mich als Leser unbefriedigt und irritiert zurücklassen. Aber vielleicht ist das Absicht? So, wie das Leben manchmal eben auch unwirklich wirkt?
Mein Fazit: Das Buch hält, was es verspricht: Es ist ein tragisch-komischer Roadtrip mit zwei Antihelden, die dabei in groteske Situationen geraten und diese zu bewältigen versuchen. Direkt nach dem Lesen war ich vom Ende ein wenig enttäuscht – mit etwas mehr Abstand zum Roman überlege ich aber, ob es vielleicht gar nicht anders möglich war, als diese Geschichte so enden zu lassen. Das sollte aber jeder selbst herausfinden!
Die harten Fakten:
Kristian Bang Foss – Der Tod fährt Audi.
14,99 €
erschienen im carl’s books Verlag
ISBN: 978-3-570-58529-0



Ich bedanke mich beim carl’s books Verlag für die kosten- und bedingungslose Bereitstellung dieses Rezensionsexemplares!

Die Seltsamen

Stefan Bachmann – Die Seltsamen

Ihr Lieben!
Rückblickend auf die Leipziger Buchmesse steht ja immer noch die Rezension eines wirklich – so viel sei jetzt schon gesagt – tollen Buchs aus. Bei mir war einfach privat zu viel los. Nun kann ich aber endlich stolz verkünden, dass ich heute die Besprechung von Stefan Bachmanns „Die Seltsamen“ präsentieren kann.

„Bartholomew Kettle sah sie in dem Moment, als sie mit den Schatten in der Krähengasse verschmolz – eine vornehme Dame, die ganz in pflaumenfarbenen Samt gekleidet war und mit der Haltung einer Königin die schlammige Straße entlangstolzieren. Er fragte sich, ob sie diesen Ort jemals wieder verlassen würde. (…)
In den Elendsvierteln der Feenwesen in Bath war man Fremden nicht besonders gewogen. (…) Diese Dame sah äußerst lohnenswert aus, fand Bartholomew. Er wusste, dass manche Leute schon für weniger getötet hatten. (…)
Er klappte sein Buch zu, drückte sich die Nase an dem schmutzigen Fenster platt und blickte ihr nach, wie sie die Gasse entlangschritt. (…) ‚Hettie‘, zischte Bartholomew, ohne sich vom Fenster abzuwenden. ‚Hettie, komm, schau mal!‘
Füße trippelten durch das dunkle Zimmer. Neben ihm tauchte ein kleines Mädchen auf. Sie war schrecklich dünn, und ihr Gesicht bestand nur aus kantigen Knochen und blasser Haut, die einen Stich ins Bläuliche hatte, weil sie nicht genug in die Sonne kam. Das Mädchen war geneuso hässlich wie er. (…) Es war nicht zu übersehen, dass sie Feenblut in den Adern hatte.“ 

In einem London, welches vor langer Zeit den sogenannten „Heiteren Krieg“ zwischen Feenwesen und Menschen überstanden hat, ist das Leben für jegliche magische Kreatur hart. Allerdings nehmen wohl die ‚Seltsamen‘ – Kinder von Menschen und Feen – die unterste Stellung in dieser Gesellschaft ein. Sie müssen sich versteckt halten, um nicht getötet zu werden und fristen ihr Dasein in ärmlichsten Verhältnissen. So auch Batholomew und seine kleine Schwester Hettie. Der Junge träumt von einem normalen Leben und wünscht sich nichts weiter als einen Freund. Doch das ist unmöglich, denn er ist hässlich, er ist ein Seltsamer, gefürchtet von sowohl den Menschen als auch den Feen. Insbesondere in den jüngsten Tagen leben Mischlingskinder zudem gefährlich. Denn immer wieder findet man ihre Leichen in der Themse. 
Als Bartholomew schließlich beobachtet, wie eine mysteriöse Frau das nächste Seltsamenkind entführt, wird er unvorsichtig und von dieser entdeckt. In dem Bewusstsein, dass er der nächste ist, versucht er seine Familie zu beschützen – und tritt damit erst recht in ein Abenteuer ein, welches viel zu groß für ihn erscheint. Einzig der etwas unbeholfene und faule Politiker Arthur Jelliby scheint ihm helfen zu können. Aber ist er vertrauenswert?
Der noch junge Autor Stefan Bachmann hat in „Die Seltsamen“ ein völlig neues England geschaffen: Zwischen einer viktorianisch anmutenden Gesellschaft mit klassischen Steampunk-Elementen zieht sich der Fantasy-Aspekt wie ein roter Faden leitend durch den Roman. Mit viel Fanatsie und Liebe zum Detail führt Bachmann den Leser in diese doch etwas andere Welt ein. Zu Beginn scheint er sich in den zahlreichen Schilderungen fast ein wenig zu verlaufen, jedoch bringt er die Geschichte nach einer kurzen Aufwärmphase dann doch erfolgreich auf Kurs. 
Die wohl überraschendste Neuigkeit an seinem Blickwinkel ist die Tatsache, dass Feen, Elfen und all die anderen magischen Geschöpfe hier nicht als wunderbare Helden und elegante Zauberwesen dargestellt werden. Sie sind viel mehr als hässliche und schaurige Gestalten gezeichnet, womit Bachmann auf alte Sagen und Geschichten dieses Kulturkreises zurückgreift und sie imposant wieder in das Bewusstsein unseres Zeitalters holt. Fern ab von Harry Potter und Hobbiten ist es ein spannender Griff, das Magische als Bedrohung darzustellen, ohne es aber völlig zu verteufeln. Es ist eine unter der Oberfläche schwelende Macht, welche ihr Recht wieder einzufordern beginnt.
Auch die beiden Helden des Romans – Bartholomew und Arthur Jelliby – sind ausgesprochen eigenwillig. Während der Junge nichts Besonderes an sich hat – keine Magie, keine besonderen Kräfte, ja nicht einmal ein auffälliges Aussehen wie seine Schwester – ist Jelliby auch alles andere als ein wirklicher Held. Behäbig, tollpatschig und von seiner Arbeit herzhaft gelangweilt schleicht er sich durch sein Leben. Stets bemüht, Konflikten aus dem Weg zu gehen und Entscheidungen schön anderen zu überlassen, wird er jedoch im Laufe des Buches dazu gezwungen, über sich selbst hinauszuwachsen. 
Mir persönlich gefiel Jelliby tatsächlich fast etwas besser als Bartholomew, welcher erst gegen Ende des Buches auf Betriebstemperatur kommt.
Die kunstvolle Verwebung dieser beider Handlungsstränge ist ebenfalls sehr beeindruckend. Immer wieder kreuzen sich die Wege Jellibys und Bartholomews, ohne dass sie es bemerken – bis man schon fast nicht mehr damit rechnet, dass sie zueinander finden. Auch sprachlich kann der junge Autor bereits eine große Fertigkeit aufweisen. Mit manchmal schon fast brutal wirkender Direktheit beschreibt er die Charaktere ohne schmückendes Beiwerk sondern in der Art, wie sie wirklich sind. Hässlich. Gefährlich. Dumm. Hinterlistig. Naiv. Ein sehr eigenwilliger Stil.
Mein Fazit: Mit diesem Roman feierte der damals 18-jährige Bachmann in seiner Heimat Amerika bereits große Erfolge. Ich kann nur von Glück sprechen, dass er seinen Weg nun auch in den deutschsprachigen Raum gefunden hat. Denn auch wenn der Roman als Jugendbuch angelegt ist, so finden Erwachsene sicherlich auch großen Gefallen an diesem Stück Literatur. Fantasy auf herrlich erfrischende Art. Leseempfehlung!
Die harten Fakten:
Stefan Bachmann – Die Seltsamen.
16,90 €
erschienen im Diogenes Verlag
ISBN: 978-3-257-06888-7

Es wird im Übrigen bereits im Herbst diesen Jahres die Fortsetzung erscheinen. Darauf freue ich mich schon sehr!



Ich bedanke mich beim Diogenes Verlag für die kosten- und bedingungslose Bereitstellung dieses Rezensionsexemplares!

Das Mädchen mit dem Haifischherz

Jenni Fagan – Das Mädchen mit dem Haifischherz

Ihr Lieben!
Schon einige Wochen vor der Buchmesse habe ich in einer Zeitschrift eine winzig kleine Ankündigung von zwei Büchern gelesen, die ich unbedingt haben wollte. Die knappen Inhaltsangaben und die kurzen Einschätzungen schlauer Leute haben mich angefüttert, verlockt und begeistert, weswegen ich also beide Verlage kontaktierte. Und siehe da – wenige Tage später hatte ich bereits das erste Objekt meiner Begierde in den Händen und möchte euch dieses nun endlich vorstellen: Jenni Fagans „Das Mädchen mit dem Haifischherz“.

„Ich bin ein Experiment. Ich bin es immer schon gewesen. So viel ist sicher, einfach Fakt. Sie beobachten mich. Nicht nur in der Schule oder während der Sozialarbeitergespräche, vor Gericht oder in den Haftzellen – sie beobachten mich überall. Sie beobachten mich, wenn ich mich kopfüber vom längsten Ast der Eiche baumeln lasse; ich kann stundenlang so bleiben, einfach nur Wünsche an mir vorbeiziehen lassen. Sie beobachten mich, wenn ich den Mond mit meinem Blick bezwinge. Seine schreckliche Nacktheit macht mir keine Angst. Sie sind da, wenn ich mich prügle, wenn ich ficke und wenn ich wichse. Wenn ich meinen Namen in Bäume schnitze und wenn ich es vermeide, auf Ritzen zu treten. (…) Sie beobachten mich, wie ich nicht heule. Sie beobachten mich, wie ich mit Unschuldsmiene Lügen erzähle und meine dreckigen Füße vor ihnen verstecke. Sie beobachten mich, das weiß ich, und es gibt keinen Ort – der ihrem Blick verborgen bleibt.“
Anais sitzt auf dem Rücksitz eines Polizeiautos und betrachtet ihre blutverschmierte Schuluniform. Angeblich soll sie eine Polizistin ins Koma geprügelt haben, weswegen sie nun in das Panoptikum, eine Besserungsanstalt für schwererziehbare Jugendliche kommen soll. Nur erinnern kann sich das fünfzehnjährige Mädchen an nichts. Sicherlich, ihre kriminelle Laufbahn ist kein Kindermärchen – aber Kinder, Kranke und Alte würde sie nie verprügeln – und jemanden fast totschlagen erst recht nicht! Da hat sie ihre Prinzipien.
Doch das Experiment hat sie auserkoren, ihr das Leben schwerstmöglich zu gestalten, um sich an ihrem Leid zu ergötzen. Davon ist sie überzeugt. Aber nicht mit Anais! Sie legt durch ihre Sturheit, Fantasie und Intelligenz einen Überlebenswillen an den Tag, der alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen scheint. Im Panoptikum findet die Waise endlich eine Zufluchtsstätte sowie in den anderen Jugendlichen eine Art Familie, die sie so lange schmerzlich entbehren musste. Und gerade, als Anais zu glauben beginnen möchte, dass sie doch kein im Reagenzglas gezüchtetes Experiment ist, sondern ein echter Mensch – verschwindet eines der Mädchen und ihre Welt beginnt erneut einzustürzen…
In ihrem Debütroman hat sich Jenni Fagan eine Heldin ausgedacht, die auf den ersten Blick als keine solche erkannt werden würde. Die Antirolle ist dem Mädchen so in Fleisch und Blut übergangen, ja, ihr regelrecht auf den Leib geschneidert, dass sie nicht nur in der fingierten Romanwelt damit aneckt. Auch im richtigen Leben wirkt Anais äußerst taff, um nicht zu sagen rotzig, provokant und höchst aggressiv. Es ist schon nahezu anstrengend, wie hart und ehrlich sie daherkommt. Man kann es ihr fast nicht glauben, dass Lebensumstände so etwas aus einem Kind machen. Insbesondere die derbe Sprache ist zu Beginn sehr einschüchtern, regelrecht abschreckend. Für meinen Geschmack wäre hier weniger mehr gewesen, denn wie sich im Laufe des Romans zeigt, wirkt die Geschichte mindestens genauso stimmig, wenn nicht meiner Meinung nach sogar fast noch etwas authentischer, mit einigen Flüchen und Fäkalausdrücken weniger. 
Generell hat man beim Lesen den Eindruck, dass sich die Autorin erst etwas warm schreiben musste. Dümpelt das Geschehen anfangs noch zwischen Kindheitserinnerungen, Drogenexzessen und wirren Eindrücken aus Anais Perspektive herum, so wird die eigentliche Aussage mit der Zeit immer klarer. Denn insgesamt stellt „Das Mädchen mit dem Haifischherz“ allem voran einen herzergreifenden Aufruf der Vergessenen dar, eine tieferschütternde Anklage des Systems. Und schließlich zeigt sich, dass Anais die einzig mögliche, einzig richtige Heldin dieses Romans sein konnte. In ihrer Unsicherheit und Verlorenheit – der Identitätskrise, wie die Erwachsenen es umschreiben – spiegeln sich unzählig viele Schicksale wider. Doch so trostlos das Leben auch mit ihr umspringt – sie verliert nie ganz den Glauben an sich und daran, dass sie es wert ist, ein gutes Leben zu führen. Jeder Mensch hat das – und wenn keiner dich wie ein Mensch behandelt, so kann durchaus der Glaube daran verloren gehen. Aber wenigstens man selbst sollte Vertrauen in sich haben und mit der Überzeugung voranschreiten, dass man Vater und Mutter hat, dass man ein realer Mensch ist und dass man das Gute verdient.

Mein Fazit: Mit ihrer bizarren Mischung aus „Ich habe die Unschuld kotzen sehen“, „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ und „Alice im Wunderland“ zeigt Jenni Fagan die Welt wie sie – leider – sein kann, wie sie – vielleicht – ist und wie sie – hoffentlich – auch werden kann. Wer sich von der zugegebener Maßen stark ausfallenden Sprache nicht abschrecken lässt, kann Teil einer ergreifenden Suche und eines leidenschaftlichen Kampfes werden, den zu begleiten ein Erlebnis ist. Lesenswert!

Die harten Fakten:

Jenni Fagan – Das Mädchen mit dem Haifischherz.
19,95 €
erschienen im Antje Kunstmann Verlag
ISBN: 978-3-88897-925-5



Ich bedanke mich beim Antje Kunstmann Verlag für die kosten- und bedingungslose Bereitstellung dieses Rezensionsexemplares! 

Schattenspringer

Daniela Schreiter – Schattenspringer

Ihr Lieben!
Beim Stöbern durch das Programm der Buchmesse vergangenen Donnerstag fiel mir schnell das Autorengespräch zu einer Graphic Novel auf, welche sich mit dem Dasein als Asperger-Autist beschäftigte. Da mich verschiedene persönliche Kontakte schon mehrfach mit diesem Thema in Verbindung brachten und ich ohnehin einen gewissen innerlichen Drang verspüre, mich damit auseinanderzusetzen, wusste ich, dass ich diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen durfte! 
Ergebnis nach dieser Stunde war ein großartiges Gefühl der Zuneigung und des Verstehens sowie als Kirsche auf dem Sahnehäubchen meines Buchmesseeisbechers: ein Rezensionsexemplar eben jener Graphic Novel. Und da sie seit Dienstag frisch im Handel ist, reiche ich doch heute gleich mal die Besprechung zu diesem Werk nach. Vorhang auf für Daniela Schreiters „Schattenspringer. Wie es ist, anders zu sein.“

„Menschen mit dem Asperger-Syndrom haben öfter das Gefühl, auf dem falschen Planeten gelandet zu sein. Daher trägt diese Autismusform auch manchmal den Spitznamen Wrong-Planet-Syndrom. Das trifft es recht gut. Meistens komme ich mir tatsächlich wie ein extraterrestrischer Besucher vor, der in einer Trial-and-Error-Versuchsreihe probiert auf menschliche Verhaltensweisen zu reagieren.“
Das Gefühl, anders zu sein, kennt sicherlich jeder mal in irgendeiner Art und Weise. In solchen Momenten befindet man sich in einer unangenehmen Umgebung, muss Kontakt mit Menschen aufnehmen, die einfach nicht auf der eigenen Wellenlänge sind oder man ist zu Besuch in einer anderen Kultur. Alles Situationen, aus denen man sich zwar vielleicht mit einem leichten Unbehagen aber dennoch recht einfach wieder herausmanövrieren kann. Zurück zur Familie, zu den Freunden, in den Alltag, das hilft. 
Daniela hingegen lebt dauerhaft in dieser „anderen Welt“. Sie ist Asperger-Autistin und empfindet unsere „normale Welt“ als anstrengend und kompliziert. Durch wahrscheinlich eine genetisch verursachte Entwicklungsstörung haben „Aspies“ meist Probleme mit zum einen der Wahrnehmung (Reize in der Umwelt) und zum anderen mit der sozialen Interaktion. Doch diese Diagnose ist noch selten und wird eher hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen: „Sie ist Autistin!“ – „Ach so? Sie wirkt eigentlich normal…“
Über die lange Zeit, in der Daniela durch ihr Leben wandelte, ohne genau zu wissen, warum sie eben doch nicht so „normal“ war wie die anderen, hat die junge Illustratorin nun eine Graphic Novel geschrieben & gezeichnet. Denn Worte allein reichen nicht aus, um uns ihre Welt zu zeigen.
In fünf pointierten und anschaulichen Kapiteln berichtet die Künstlerin zunächst über sich als Autistin allgemein (und räumt hier auch gehörig mit Vorurteilen auf), dann über den Schulalltag, ihr eigene Welt, über das „Geräusch von Chlor“ (ein Kapitel, welches mich besonders berührt hat) und wie man sich Freunde schafft. Man taucht mit ihr in alltägliche Szenen ein und beginnt zu begreifen, dass es auch eine ganz andere Perspektive auf das Leben gibt, als die von uns gewohnte. Der Leser blickt durch Danielas Augen in diese Welt, die so laut und so voller Reize und Einflüsse ist. Er ist mit ihr erschöpft von all den Eindrücken des Tages und kann das Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug in die eigene Wohlfühlzone gut nachvollziehen. Zumindest ging es mir so.  
Der Zeichenstil bedient sich dabei einer sehr einfachen Art. Schnörkellos aber keinesfalls lieblos entsteht vor den Augen des Lesers diese „andere Welt“. Ähnlich wie ihre Worte wirken die Bilder direkt, klar und verständlich. Es ist ihre Art zu kommunizieren – ohne mit dem Erklärbären im Arm oder dem Besserwisser-Zeigefinger die ganze Zeit dem „Außenstehenden“ Belehrungen zu erteilen. 
Es ist kein Betroffenheitsgefühl, welches nach dem Lesen bleibt. Es ist ein Gefühl des Verständnisses und der Dankbarkeit. Und der Freude – denn auch der Humor kommt in diesem Comic nicht zu kurz. 
Mein Fazit: Am Ende steht man da und erkennt, dass in dem Satz, den Daniela von einem Freund zitiert, viel Wahres steckt. „Autism: It’s not a bug, it’s a feature.“
Von mir gibt es eindeutig eine Kaufempfehlung für diese Graphic Novel. Die Thematik ist so spannend und gleichzeitig hübsch umgesetzt. Aufklärung und Erklärung ohne Staub und Spinnenweben, ohne Angst und Krankheit – dafür mit Herz, Ehrlichkeit und Spaß. Ich hoffe und wünsche es sowohl Daniela als auch allen Lesern, dass es einen 2. Band geben wird!
Die harten Fakten:
Daniela Schreiter – Schattenspringer. Wie es ist, anders zu sein.
19,99 €
erschienen im Panini Comics Verlag
ISBN: 978-3-86201-950-2

Ich
bedanke mich bei dem Panini Comics Verlag für die kosten-
und bedingungslose Bereitstellung dieses Rezensionsexemplares!
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Schritte ins neue Leben – der Preis der Leipziger Buchmesse

Ihr Lieben!
In den Medien ist es natürlich schon längst umgegangen – hier aber dennoch eine kleine Impression von der Preisverleihung. Die Kategorien waren Übersetzung, Sachbuch/Essayistik und natürlich die für mich am interessanteste Belletristik. 
Die Veranstalter haben das natürlich gewusst und wie ich finde auch fairer Weise diese Kategorie erst am Schluss bekannt gegeben. Das hat mich zwar irgendwie ganz schön Nerven gekostet (auch weil das lange Stehen wirklich anstrengend wurde), aber wie man dann schlagartig nach der Verkündung des Siegers festgestellt hat, waren die meisten Journalisten wirklich nur für dieses eine Foto da und dann wurde es plötzlich gaaaanz schnell leer. Wenn das am Anfang passiert wäre, wäre das für die anderen beiden Kategorien echt fies gewesen. 
Also halten wir uns auch mal an die Reihenfolge. 

Hier sehen wir Hubert Winkels, welcher die Leitung der Jury bzw. die Moderation bei dieser Preisverleihung übernommen hat. Er arbeitet als Literaturkritiker (u. a. für die Zeit und den Deutschlandfunk) und war auch international als Dozent tätig.
Nachdem er die Jury vorgestellt hat, wurden in jeder Kategorie von einem Mitglied dieser die Nominierten dem Publikum nochmals kurz dargestellt. Als aller erstes im Bereich Übersetzung. Und gewonnen hat … 

 … Robin Detje mit seiner Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von William T. Vollmanns „Europe Central“. Seine Dankesrede war relativ „normal“ – was ich jetzt sage, ohne es negativ zu meinen. Ich kenne das Werk leider nicht, aber ich weiß, dass Übersetzer leider längst nicht so viel gewürdigt werden, wie es ihnen eigentlich zusteht. Denn ein literarisches Werk von einer Sprache in die ander zu übertragen und dabei den entsprechenden Stil des Autors noch zu bewahren ist in meinen Augen eine sehr große Kunst und verdient diese Auszeichnung eindeutig! 
Es folgte die Kategorie Sachbuch/Essayistik mit dem Preisträger …

Helmut Lethen für seinen Essay „Der Schatten des Fotografen“. Eine komplexe Verwebung aus Erinnerungen, technischen Fakten und geschichtlichen Begebenheiten aus der Zeit des 2. Weltkriegs. Ich dachte zunächst „Ach nein, nicht schon wieder der Nationalsozialismus!“ – aber dieser Preisträger war wirklich unglaublich niedlich! Wie ich erfahren habe, ist das sogar die aller erste Buchmesse im ganzen Leben des 75-Jährigen gewesen – und dann gleich mal den Preis gewonnen! Sehr putzig war seine Anmerkung: „Oh, da ist ja sogar ein Scheck drin!“ Man hat es ihm wirklich von Herzen gegönnt.
Ähnlich wie schließlich dem letzten Gewinner dieser Preisverleihung in der Kategorie Belletristik:

 … meinem persönlichen Favoriten, Sasa Stanisic mit seinem Roman „Vor dem Fest“. Er schien ehrlich erstaunt und überwältigt davon, dass er nun tatsächlich mit diesem Werk den Preis der Leipziger Buchmesse gewinnen sollte. Sein Kommentar: „Wow, um überrascht zu erscheinen habe ich jetzt natürlich keine Rede vorbereitet…“ und lacht dabei fast schon verschämt. Wirklich sympathisch und ehrlich, zumindest von meiner Beobachterposition aus. 
Alle Preisträger haben es sicherlich verdient, die anderen Nominierten garantiert ebenso. Einige Titel waren in meinem Augen noch wirklich sehr spannend, vielleicht greife ich irgendwann ja mal zu ihnen. Am wahrscheinlichsten aber wohl zum Belletristik-Gewinner, denn dieser Bereich ist einfach der spannenste für mich.