Der Tod fährt Audi

Kristian Bang Foss – Der Tod fährt Audi

Ihr Lieben!
Endlich komme ich dazu, auch die Rezension für den letzten Leckerbissen von der Leipziger Buchmesse zu schreiben. Das Buch hatte ich mir schon im Januar aus der Vorschau des Verlags ausgeguckt und mich sehr gefreut, dass ich es dann auch zugesendet bekam. Es versprach ein herrlich ironisch-witziger Roadtrip zu werden, wie ihn wohl nur Skandinavier schreiben können: Kristian Bang Foss „Der Tod fährt Audi“.

„Schließlich ging es so nicht mehr weiter. Geplagt von Übelkeit und dem üblichen Kater, nahm ich die S-Bahn in die westlichen Vororte und stieg in Stentofte aus. Ich hatte ein Bewerbungsgespräch. (…) Es handelte sich um eine Stelle als Pflegehelfer.
Ich war noch nie in Stentofte gewesen, und als ich an der S-Bahnstation stand, wusste ich auch, warum. Falls Hieronymus Bosch oder Bruegel 2008 gelebt hätten, hätten sie nicht Skelette missbrauchter Freudenmädchen, im Fegefeuer brutzelnde Menschen oder alles verwüstende Totenheere gemalt, sondern Stentoftes Beton. Wenn du nicht an die Hölle glaubst, setz dich in die Linie B und fahr nach Stentofte. (…)
Während ich vor der Wohnungstür wartete, hörte ich Waldemar auf der anderen Seite mit dem Riegel und der Sicherheitskette rasseln. Ich ahnte, dass sein Nachbar mich durch den Türspion beobachtete. Dann wurde geöffnet.“
Manchmal kommt es knüppeldick im Leben – so auch bei Asger. Von Beruf eigentlich Werbetexter in Kopenhagen, verpatzt er eine Kampagne aufs grandioseste und wird erst von seinem Chef gefeuert und dann von seiner Freundin verlassen. Der junge Mann verbringt daraufhin viel Zeit mit seinem Kumpel, dem Fernseher, welcher ihn mit seiner guten Freundin, der Bierflasche, bekannt macht. 
Irgendwann steht Asger allerdings fast vor dem Nichts und muss sich aus diesem Loch herauskämpfen. Ein Job soll helfen. Doch als er bei Waldemar landet – einem jungen Mann Anfang 20, vom Schicksal mit allerlei Syndromen und Krankheiten gebeutelt – zweifelt er zunächst an diesem Entschluss. Schnell wird jedoch deutlich, dass die beiden, so verschieden sie eigentlich sind, doch ein gewisses Verständnis füreinander haben und den zynischen Blick auf das Leben teilen. Diese ungewöhnliche Freundschaft gipfelt schließlich in dem spontanen Beschluss Waldemars, gemeinsam nach Marokko zu fahren, um sich dort von einem ominösen Wunderheiler retten zu lassen.
Es beginnt ein aberwitziger Roadtrip, der sich von nichts und niemandem aufhalten lässt – selbst nicht von ihrem mysteriösen Verfolger in dem schwarzen Audi.
Spontan erinnert das Szenarium an den französischen Hit „Ziemlich beste Freunde“. Allerdings wird schnell deutlich, dass die hier geschilderte Geschichte einen ganz anderen Drall inne hat, als die wahre Geschichte von Philippe Pozzo di Borgos. Sie ist bissiger, abgedrehter, skurriler. 
Die beiden Hauptcharaktere scheinen auf den ersten Blick nicht sehr auffällig. Ein Werbetexter, der in der Finanzkrise seinen Job verloren hat und ein kranker junger Mann im Rollstuhl, der sein Leben in bescheidenen, ja trübsinnigen Verhältnissen fristet. Schon fast grauenhaft gewöhnlich. Doch Waldemar ist nicht der stumm leidende Engel, der am Ende erlöst wird. Er ist stur, stellt sich taub, wenn ihm etwas nicht passt und versucht alles, um seinen Kopf durchzusetzen. Asger ist davon zunächst beeindruckt, hat er doch längst aufgegeben, obwohl ihm das Leben nicht halb so viele Hindernisse gestellt hat, wie seinem Schutzbefohlenen. Er lässt sich also überreden und begeistern, obwohl im unterschwellig die ganze Zeit die Wahrheit droht. Doch von Waldemars Beispiel inspiriert, schluckt er die Gewissheit über diesen eigentlich hirnrissigen Trip durch halb Europa hinunter. Und so auch der Leser.
Er wird mitgenommen auf diese Reise und durchlebt in locker-leichter Art die verschiedenen Stationen. Es könnte alles so schön sein – fast schon idyllisch – wenn Waldemars Schwächeanfälle die heitere Stimmung nicht immer wieder durchbrechen würden. Dadurch wirkten manche lustige Szenen fast schon aufgesetzt. Vielleicht sollte es ein Blick auf das Leben sein, welches manchmal dazu neigt, eine regelrechte Farce zu sein? Es bleibt insgesamt auf jeden Fall ein bitterer Beigeschmack, selbst wenn eine große Party geschmissen wird. 
Dieses etwas seltsame, unterschwellige Gefühl verstärkt sich gen Ende des Romans immer mehr. Die Angst, die Asger um seinen Freund erleidet, ist greifbar und steht wie eine Wand zwischen dem Geschehen und dem Leser. Dazu der immer wieder auftauchende, seltsame Geselle im Wagen hinter ihnen, welcher leider bis zum Schluss nicht erklärt wird. Denn, auch wenn der Titel des Buchs ihn als den Tod entlarvt – so ist er auf keiner Seite wirklich als solcher endgültig erkennbar und der Leser bleibt verwirrt zurück. 
Für mich persönlich hat „Der Tod fährt Audi“ sehr stark begonnen und sich im letzten Drittel allerdings ein wenig verloren. Es liegt nicht an der stetig indirekt über den Akteuren schwebenden Gefahr und auch nicht am Schreibstil von Kristian Bang Foss – der nebenbei gesagt im Gegenteil sogar wirklich amüsant ist. Irgendwie kam das Ende mir zu plötzlich und wirkte auf mich zu irreal. Es gibt für meinen Geschmack einfach einige Fäden zu viel, die sich lose verlaufen und mich als Leser unbefriedigt und irritiert zurücklassen. Aber vielleicht ist das Absicht? So, wie das Leben manchmal eben auch unwirklich wirkt?
Mein Fazit: Das Buch hält, was es verspricht: Es ist ein tragisch-komischer Roadtrip mit zwei Antihelden, die dabei in groteske Situationen geraten und diese zu bewältigen versuchen. Direkt nach dem Lesen war ich vom Ende ein wenig enttäuscht – mit etwas mehr Abstand zum Roman überlege ich aber, ob es vielleicht gar nicht anders möglich war, als diese Geschichte so enden zu lassen. Das sollte aber jeder selbst herausfinden!
Die harten Fakten:
Kristian Bang Foss – Der Tod fährt Audi.
14,99 €
erschienen im carl’s books Verlag
ISBN: 978-3-570-58529-0



Ich bedanke mich beim carl’s books Verlag für die kosten- und bedingungslose Bereitstellung dieses Rezensionsexemplares!

2 Gedanken zu „Kristian Bang Foss – Der Tod fährt Audi

  1. Goldkind

    Wenn man nicht Herr der Ringe gewissermaßen als Roadtripp sieht habe ich bewusst noch nie einen solchen gelesen. Ich weiß auch nicht, ob das so meinem Beuteschema entspricht, zumal ich von losen, offenen Enden nach "Am Anfang war das Ende" erstmal genug habe. ^^

    Aber deine Rezi ist schön. ^^ Ohne undifferenziertes Ende. ^^

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    1. palandurwen Artikelautor

      *hihi HdR als Roadtrip zu sehen ist ja aber auch mal ne spannende Sichtweise *kicher – aber ich persönlich greife auch eher seltener zu dieser Art Literatur. Manchmal kann es aber ganz nett sein ^^

      Ein richtig offenes Ende ist es eigentlich auch nicht – es gibt nur einige Fäden, die sich irgendwie im Nichts verlaufen – das hat mich etwas irritiert ^^;

      Aber vielen Dank für das Kompliment zur Rezi 🙂

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