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Schritte ins neue Leben – Die Nominierten Belletristik.
Schritte ins neue Leben – Willkommen auf der LBM!
Der erste Schritt ins neue Leben?
Ich habe mir sogar extra Visitenkarten drucken lassen, damit ich bei Bedarf ganz lässig-professionell die entsprechenden Kontaktmöglichkeiten parat habe. Hoffentlich kommen sie noch rechtzeitig …
Hiermit kündige ich euch also an, dass die nächste Woche ganz im Zeichen der Buchmesse stehen wird. Ich möchte euch an meinem Glück ganz eng teilhaben lassen und werde für meine Verhältnisse vielleicht ungewöhnlich oft posten, aber ich hoffe auch, dass ihr daran Spaß haben werdet. Wer noch nie auf der/einer Buchmesse war – ändert das! Natürlich ist es stressig, aber es lohnt sich! Die ganzen Eindrücke, die teilweise echt sehr hübsche Gestaltung der Stände, die vielen Bücher…. Für mich ist das neben so riesigen Bibliotheken wie der SLUB oder Buchantiquariate der Himmel auf Erden. ^^
Jetzt werde ich meine Nase aber erstmal tiiiief tief in das Programm und den Katalog stecken, um mich optimal vorzubereiten und bereits potentielle „Opfer“ ausfindig zu machen.
^^
Elif Shafak – Ehre
(…)
Ich werde ihm sein Zimmer zeigen und langsam die Tür schließen. Ich werde ihn dort allein lassen. In einem Zimmer in meinem Haus. Nicht zu nah und nicht zu fern. In diese vier Wände werde ich ihn einsperren, zwischen dem Hass und der Liebe, die ich empfinde, ob ich will oder nicht, und die für immer in einem Kästchen in meinem Herzen verschlossen sind.
Er ist mein Bruder.
Er, der Mörder.“
Dort versucht sie mit der neuen Kultur, den anderen Sitten und den lauernden Gefahren einer fremden Welt fertig zu werden und gleichsam ihre drei Kinder aufzuziehen. Doch während sie selbst als Kind gegen die Strenge ihrer Familie angekämpft hat, driftet sie nun als Mutter selbst in ein solches Verhalten ab. Mit katastrophalen Folgen! Denn gerade als Pembe versucht, sich aus der misslichsten Lage ihres Lebens – neues Land, neue Sprache, Dasein als Alleinerziehende Mutter – mit Hilfe eines neugewonnenen Freundes zu erheben, da spielt das Schicksal ihr erneut einen grausamen Streich und ihre Vergangenheit holt sie ein.
„Ehre“ ist das leitende Motiv, welches sich auf vielschichtige Weise durch die gesamte Erzählung zieht. Während wir Europäer darunter etwas spirituelles und sehr ambivalentes verstehen, scheint es aus unserer Sicht in der türkisch-islamischen Kultur eher ein Begriff der Keuschheit und Jungfräulichkeit zu sein – etwas, dass lediglich den Frauen auferlegt wird, wie ein Zwang und aufgrund dessen Frauen, die um ihre Freiheit kämpfen, stets vom Tode bedroht oder schließlich auch davon eingeholt werden. So zumindest unsere Annahme.
Doch Elif Shafak zeichnet in ihrem Roman ein viel weiteres Bild, ein umfassenderes Gefühl, was es mit diesem Wort auf sich hat. Bereits Pembe und Jamilas Mutter Naze ist tief durchdrungen davon. Für sie ist es eine große Qual ihrem geliebten Ehemann keinen Sohn geschenkt zu haben, sondern nur acht Töchter. Der Gram, den sie empfindet, als die Zwillinge das Licht der Welt erblicken, scheint sich wie ein unsichtbares Tuch auch über Pembe gelegt zu haben – empfindet sie doch in England ähnliche Schuldgefühle, als sie beginnt sich über ihre Tradition hinwegzusetzen und ein neues Leben anzufangen. Stets begleiten sie Schuldgefühle, befleckt sie dadurch doch ihre und die Ehre ihrer Familie. Und das, obwohl sie aus unserer Sicht alles Recht dazu hat – betrügt und verlässt ihr spielsüchtiger Mann sie doch. Aber Pembe kann sich nicht lösen. Und auch ihr Sohn Iskender, den sie zu einem ehrenhaften Mann heranziehen will, kommt von diesem Weltbild nicht los. Er wird davon getrieben, die Rolle des Mannes im Haus einzunehmen. Und auch, wenn es den Jungen fast umbringt, so fühlt er sich doch dazu verpflichtet, seine Mutter zu beschützen, sie auf den rechten Weg zurückzubringen und die Ehre zu verteidigen. Mit welchen Mitteln auch immer.
Shafak zeigt Figuren, die sehr klar und nachvollziehbar beschrieben werden. Es sind Menschen aus einer anderen Kultur und doch wird ihr Innerstes deutlich, man meint zu verstehen. Jeder der Handelnden darf seine Sicht darlegen. Es entsteht ein Geflecht aus Erinnerungen, Momentaufnahmen, größeren und kleineren Strängen, die schließlich alle an einem Punkt zusammenlaufen und im Hier und Jetzt münden. In dem Moment, als Er wieder frei ist. Und als seine Mutter gestorben ist. Zweimal.
Sprachlich besticht der Roman durch ungewöhnlich Bilder und Vergleiche. Er liest sich sehr angenehm und flüssig, die wenigen türkischen oder kurdischen Begriffe sind sogar in einem Glossar erklärt.
Mein Fazit: Ich bin mit dem Gedanken an das Buch herangetreten, wirklich harte Kost vor mir zu haben, wahrscheinlich getränkt in Hass und Leidenschaft, Blut und Ehre. Doch gefunden habe ich einen spannenden Teppich, bei welchem alle Fäden nebeneinander laufen, sich ab und an kreuzen und zusammen ein Bild ergeben, welches so kostbar und zierlich ist, dass ich ganz überrascht davon bin. Selbst die Täterfigur Iskender ist für mich ein Sympathieträger, während die Hauptfigur Pembe mich teilweise schon mit ihren Schuldgefühlen erdrückte. Man möchte sie am liebsten wachschütteln und warnen, gleichzeitig aber auch beschützen. Insbesondere der jüngste Sohn Yunus und die Schwester Jamila sind mir beim Lesen jedoch ans Herz gewachsen. Beides sehr faszinierende und schöne, offene Charaktere. Um so mehr hat mich allerdings das Ende überrascht!
Außerdem hat mich noch die Art und Weise der Grundmentalität tief beeindruckt. Sie besagt, man solle die Menschen, die Natur, ja die ganze Welt so nehmen, wie sie ist – Gott hat sich dabei etwas gedacht.
Mit diesen Eindrücken im Gepäck kann ich für „Ehre“ eindeutig eine Empfehlung aussprechen. Denn, auch wenn Ehrenmorde furchtbar sind, so wird hier eine andere Sicht gezeigt und es bleibt kein Hass oder keine Blutgier, keine Aggression, sondern lediglich Trauer, Nachdenklichkeit und auch Liebe. Man taucht in eine andere Welt ein, sieht die eigene mit fremden Augen und geht schließlich mit einem neuen, tiefgehenderen Verständnis und Mitgefühl aus den Buchseiten hervor.
Wer sich ebenfalls darin umsehen möchte – das Buch bekommt man beispielsweise hier.
Die harten Fakten:
Ich
bedanke mich bei blogg dein buch und dem Kein & Aber-Verlag für die kosten-
und bedingungslose Bereitstellung dieses Rezensionsexemplares!
Jonas Jonasson – Die Analphabetin, die rechnen konnte
Eben jene Analphabetin heißt Nombeko und ist eigentlich nur Latrinentonnenträgerin. Dank ihres klugen und fast schon respektlosen Auftretens und ihrer wahnsinnig guten Auffassungsgabe samt höcht phänomenalem Rechengenie gelingt es ihr jedoch, sich aus dieser Lage zu befreien. Bis sie plötzlich von einem betrunkenen Ingenieur überfahren wird. Als Belohnung dafür darf sie ihre Strafe – sie als Schwarze hätte ja gar nicht diesen Bürgersteig benutzen dürfen – im hochgeheimen Zentrum für den Bau nuklearer Sprengwaffen Südafrikas als Putzkraft bei eben jenem Ingenieur abarbeiten.
Schnell zeigen sich die Talente der jungen Frau, was auch der obligatorisch betrunkene Ingenieur bemerkt. Sein einziges Talent wiederum ist es, andere Leute für sich arbeiten zu lassen, um daraufhin deren Lorbeeren für sich einzustreichen. So auch hier – bis es plötzlich eine Atombombe zu viel gibt und diese verschwinden muss. Nombeko weiß sich jedoch auch in dieser Lage zu helfen und stolpert just in die Weltpolitik hinein, als sie versucht, dem Mossad eben jene überzählige Atombombe als Tauschhandel für ihre sichere Ausreise in ein Land, welches kein Stück mit der Apartheid zu tun hat – nach Schweden – anzubieten. Doch das Leben kann nicht immer berechnet werden und so führen zahllose widrige Umstände die junge Asylantin zwar in die Arme eines Mannes namens Holger, welcher sich als ihre große Liebe herausstellen soll – aber gleichzeitig auch in immer wieder neue abstruse Situationen, die ein von ihr so sehr gewünschtes normales Leben einfach schier unerreichbar machen.
Als sie sich schließlich gemeinsam mit dem schwedischen König und dem Ministerpräsidenten im Laderaum eines Kartoffellasters wiederfindet, scheint alles endgültig den Bach hinunter zu gehen. Doch Nombeko ist eben die, die sie ist.
Und was sie für eine ist. Ihre Figur ist so herrlich bodenständig und dabei respektlos und doch klug den Großen und Kleinen der Welt gegenüber, dass es eine wahre Wonne ist, sie auf ihrer turbulenten Reise zu begleiten. Dass sie dabei spielerisch leicht in der Weltpolitik und im Weltgeschehen agiert, ist wirklich spannend zu verfolgen. Zumal dabei auch unterschwellig-offenkundig mit Themen wie Rassismus oder Umweltschutz abgerechnet wird. Inwiefern die tatsächlich passierten geschichtlichen Fakten dabei ein wenig gedehnt oder verändert wurden, kann ich leider nicht einschätzen – jedoch interessierte mich das beim Lesen tatsächlich keinen Deut. Viel zu sehr hing ich an Nombekos Lippen, wenn sie mal wieder einen bissigen Kommentar abließ. Viel zu sehr bewunderte ich ihre nüchterne und schnelle Art zu denken, um sich auch aus den aberwitzigsten Situationen wieder freizustrampeln. Und auch die anderen Figuren sind von Jonas Jonasson unglaublich bunt und plastisch dargestellt worden. Selbst kleine Randfiguren bekamen noch eine kleine Lebensgeschichte auf den Leib geschneidert, so dass alles zusammen ein großes Mosaik ergab, so abwechslungsreich und verworren, dass es wirklich prachtvoll anzuschauen ist.Besonders nett finde ich auch, dass zahlreiche Details später nochmals aufgenommen und unauffällig nebenbei wieder eingeflochten werden.
Sprachlich liegt Jonasson ebenfalls absolut auf meiner Wellenlänge: Mit viel Humor und Ironie, fast schon unschuldig verpackt besticht der Autor meine literarischen Geschmacksknospen und brachte mich erfolgreich zum lauthalsen Loslachen oder Prusten.
Einzig gegen Schluss war mir leider eine Wendung in der Handlung ein wenig zu viel. Einmal weniger hätte Jonasson seine Protagonistin in der Patsche sitzen lassen können, denn die letzte war mir einfach zu viel. Dort wurde mir der Witz einmal zu oft durchgekaut und dadurch eher nervig. Aber gut, das mag vielleicht auch Geschmackssache sein. Ähnlich wie das Ende, was mir ab einem Punkt einfach zu glatt lief und ein ganz klein wenig mir zu sehr im Friedefreudeeierkuchen-Land ankam. Aber auch hier ist es wohl einfach eine persönliche Vorliebe und schön war das Ende trotzdem.
Mein Fazit: Eine absolute Kaufempfehlung! Das Buch vereint eine spannende und innovative Geschichte mit herrlichen, ausgefeilten Figuren und einem ordentlichen Schuß Humor. Ich weiß ja nicht, ob sein Vorgänger „Der Hundertjährige…“ auch so ist, aber ich werde ihn auf jeden Fall kaufen und auch lesen. Jonas Jonasson hat einen neuen Fan bekommen!
Die harten Fakten:
Ich
bedanke mich an diese Stelle bei der PR-Stelle des carl’s books Verlags
für das kosten- und bedingungslose Rezensionsexemplar!