Kategorie-Archiv: Schreibwerkstatt

Hinter ‚Palandurwen‘ versteckt sich nicht nur eine Fotografin, sondern auch ein Mensch, der sich seit jeher in der Welt Wörter und Buchstaben heimisch gefühlt hat. Irgendwann griff ich einmal selbst zum Stift und begann zu schreiben. Unter der Kategorie „Schreibwerkstatt“ findet ihr darum alle selbstverfassten Kurzgeschichten, Texte, Kommentare und vieles mehr.

Das Letzte Wort – November.

Der Grinch.
Die Luft ist kalt, der Wind zupft an den Wangen und an der Nasenspitze, die Tage sind nur noch kurz von Helligkeit geküsst – der Winter naht. Grundsätzlich für mich nichts Schlimmes, bin ich doch ein Winterkind. Und um das Vermissen des Sommers etwas abzumildern, haben die Menschen sich ja Weihnachten gleich zu Beginn der dunklen Jahreszeit gelegt. Wie schön. Glitzer, Funkel, Heimlichkeit. Zuhause sitzen und träumen, planen, Familie und Zweisamkeit, Aufmerksamkeiten überlegen und viele süße Schweinereien futtern. Das hat mir immer Freude bereitet, mich immer getröstet.
Eigentlich.
Denn dieses Jahr fühle ich mich wie der Grinch. Weihnachten wird für mich kaum stattfinden, denn das Schönste daran für mich – die Geschenke und Karten für die anderen vorbereiten – fällt dieses Jahr weg. Das Schmausen und die Gemütlichkeit genauso. Dieses Jahr ist einfach nur Stress und Mangel angesagt: Mangel an Zeit, Mangel an Geld, Mangel an Ruhe – Mangel an Freude. Denn dieses Weihnachten wird mein Leben von Grund auf verändert. Ich ziehe weg, heim – wie auch immer. Da will einfach keine Weihnachtsstimmung aufkommen.
Noch schlimmer wird es, weil bereits seit Sommerende die Schokoweihnachtsmänner und Adventskalender in den Regalen der Supermärkte stehen. Ich weiß, das sagen alle, aber – das wird doch auch immer früher oder? Genau wie das Schmücken – wieso zum Henker will man denn schon im Oktober Weihnachtsbäume in den Geschäften stehen sehen? Ich versteh es nicht. Am liebsten würde ich wirklich grün und fusselig werden, damit ich ganz legal rumwüten und meinen Unmut über dieses Weihnachten ausdrücken kann.
Meinen Dusterklumpen freut das übrigens ungemein. Er hat schon fast ein paar Freudentränchen in seinen kleinen Schweinsäugelein und sein Herz schwillt vor Mutterstolz. Hat er es doch noch geschafft, mich endgültig auf die dunkle Seite der Macht zu ziehen?
Aber nein. Ich will das nicht. Ich will kein Grinch sein und grün und fusselig ist auch gar nicht trendig, sondern doch schon mindestens von der letzten Winter-Kollektion. Das tut gar nichts für mich! Nur weil ich kein Weihnachten haben kann, heißt das nicht, dass die Welt darauf verzichten muss. Ich werde versuchen mich von der Stimmung der anderen inspirieren zu lassen. Wenn man eine rote Socke in die Waschmaschine gibt, werden doch die weißen Sachen auch schnell zumindest rosa. Also – lasst mich rosa werden, das ist die Trendfarbe!
Mein Dusterklumpen hat sich im übrigen trotzig das grüne Fusselkostüm genommen, sich in seine Ecke gesetzt und mir schmollend und grollend den Rücken zugewandt. Ich werde ihm das Fusselteil heute Nacht heimlich anpassen – dann kann er pünktlich zum 1. Advent rumgrinchen, wie er mag.

Das letzte Wort – Oktober.

Räumungsaktion.
Die Vorbereitungen laufen. Langsam sogar regelrecht auf Hochtouren. Ein Umzug will gut organisiert sein, es gilt 100 Sachen gleichzeitig zu erledigen und ständig tauchen neue Probleme oder Fragen auf. Welchen Fußbodenbelag (Laminat, grau, nur welches genau steht noch nicht fest)? Welche Möbel (Ikea, Hemnes, weiß + Expedit weiß + selbstgebaute Schreibtische und einige Regale) und wie stellt man sie (nach langem Rumrätseln kam uns da vor einigen Tagen die Erleuchtung)? Und: Wohin mit den alten Möbeln und dem ganzen anderen Kram?!
Vor diesem Problem stehen wir gerade. Logische Konsequenz: Ausräumen, umräumen, aufräumen – wegschmeißen. In der neuen alten Wohnung läuft dies gut an. Und mit jeder alten Zeitung, jedem ollen Erinnerungsgut, den ganzen Staubfängern und Rumsteherchen, die ich wegwerfe oder aussortiere, fühle ich mich befreiter. Weg mit dem alten Kram, her mit dem Neuen! Aber bitte nicht gleich wieder in alte Hamstermuster verfallen!
Leider kann ich damit in meiner alten Wohnung noch nicht loslegen, dabei juckt es mir in den Fingern. Insbesondere meinen Kleiderschrank endlich einmal von Grund auf durchzugehen – und wahrscheinlich 2/3 zu entsorgen – wird super werden! Aber bis dahin muss noch so viel gemacht werden. Gerade alte Möbel müssen weichen – und wenn keiner kommt und sie abnimmt (obwohl es ausgemacht war), könnte das wirklich noch haarig werden. Zudem wartet ja auch immer noch diese läppische Kleinigkeit einer Masterarbeit auf mich, die irgendwie irgendwann irgendwo noch geschrieben werden will. 
Oh, wie ist das Leben schön … 
Aber egal, ich denke an schöne Dinge, ans Aussortieren, ans Umräumen, ans Einräumen, an unser neues Arbeitszimmer, an unsere erste richtige gemeinsame Wohnung … 
Darin schwelge ich – so sehr, dass mein kleiner Dusterklumpen gar nicht weiß, wie ihm geschieht. Mit der anstehenden Arbeit drückt er mich immer wieder runter, will mir den Glauben an mich selbst nehmen – aber das Ziel, welches einfach immer greifbarer wird, stärkt mich jedes Mal aufs Neue und erlaubt mir zu träumen, Kraft zu schöpfen und weiter zu machen.
Kleiner Dusterklumpen, wenn ich eine Sache bisher mit dir gelernt habe, dann die, dass alles nicht halb so schlimm ist, wie du es immer gerne darstellst. Also, gib Ruhe, lass mich machen, ich bring uns schon nach Hause!

Das Letze Wort – September.

Stille.
September ist schon ein paar Tage vorbei und noch immer keine Monatskolumne? Noch immer kein Letztes Wort, über die Dinge, die mich im vergangenen Monat beschäftigt haben? Kein Geschwafel, kein Geblubber? Nein. Denn ich bewahre Stille.
Keine Ruhe, nein. Stille.
Um Ruhe zu bewahren, bin ich viel zu aufgekratzt. Denn in mir kreist immer nur ein Thema, wie ein Raubvogel um seine Beute, bereit hinabzustoßen und sie zu erlegen: die Angst, es nicht zu schaffen. ‚Es‘ ist dabei das leidige Thema Masterarbeit. Vor knapp zwei Jahren hatte ich es zu dieser Zeit bereits hinter mir. Ich hatte drei Monate Zeit, mich in meine Panik hineinzusteigern und dann war es vorbei und ich konnte durchatmen. Heute habe ich drei Monate Panikattaken hinter mir – und es ist noch kein Ende in Sicht. Ich habe gerade mal Halbzeit. Nochmal so viele Wochen, Tage, Stunden, Sekunden, in denen ich mich hineinsteigern kann, mich fertig machen kann, meinen inneren Zweifeln ausgesetzt bin. 
Schaffe ich das? Ich schaffe das nie! Ich muss das Schaffen! Schaffe ich das wirklich? Ich schaff das nie! Aber ich muss das schaffen! – So rattert es in meinem Hirn, wie ein Zug auf seinen Gleisen klappern diese Gedanken durch meinen Kopf. Und immer schneller wird die Fahrt. Ich frage mich schon, wann sie entgleist…
Da dieses Thema aber inzwischen jeden – mich eingeschlossen – nervt, wie ich befürchte, versuche ich Stille zu bewahren. Selbst mein Dusterklumpen freut sich nicht mehr, sondern wirkt gelangweilt von diesem Einerlei. Er versucht mich manchmal abzulenken mit Einwürfen wie „Du findest übrigens auch keinen Job!“, doch das versumpft in mir und wird von der anderen Sache überlaufen. Irgendwann werden auch diese Zwischenrufe an die Bewusstseinsoberfläche stoßen und mich einholen – aber noch habe ich genug andere Dinge, die mich plagen … 
Mein Dusterklumpen rollt genervt mit den Augen und beginnt Solitaire zu spielen. Das habe ich ihm gestern geschenkt, denn er wird noch drei Monate mit mir in diesem Zustand leben müssen. Und während ich nach außen hin versuche, Stille zu bewahren, kriegt er den inneren Tumult ja hautnah mit. Darum. Ich muss ihn ja ein bisschen bei Laune halten. 

Das Letzte Wort – August.

Das Motivationsreh.
Die Tage fliegen, die Wochen springen, wie junge Rehe auf dem Feld – man sieht nur noch den kleinen, niedlichen weißen Fleck der Unterseite ihrer Minischwänzchen und hopp, hopp, hopp sind sie ins Unterholz verschwunden, hat man sich ihnen einmal zu rasch genähert.
Ganz ähnlich verhält sich momentan meine Motivation. Mit dem Gedanken im Nacken, dass die Zeit drück, ein Plan mit jedem Tag des Nichtstuns mehr ins Wanken gerät und die freien Minuten sich wie staatlicher Hochverrat anfühlen, lässt sich irgendwie wirklich schlecht arbeiten. Die Motivation weiß, ich brauch sie, ich muss ja nur mal kurz in ihre hübschen Rehäuglein schauen, dann würde es mir schon wieder besser gehen und die Angst vor dem strafenden Einsatzkommando, welches sich jede Sekunde von meiner Zimmerdecke abseilen könnte, würde mal wieder etwas abrücken. Doch nein, hopp hopp hopp und weg ist sie.
Ich lege also Köder aus und warte auf ihre Rückkehr. Mit jedem verstrichenen Augenblick fühle ich mich schlechter, schuldiger, nutzloser. Ich muss einen unangenehmen Geruch ausstrahlen, den der Versagensangst oder des Selbstmitleids, ich weiß es noch nicht genau – aber das scheint auf jeden Fall mein kleines Motivationsreh gehörig abzuhalten an meinen verteilten Leckerlies zu knabbern. Kein „hey, wenn ich ein bisschen was geschafft habe, geh ich Nagellack kaufen!“ hilft und das „Nach zwei Seiten höre ich auf und esse leckeren Kuchen!“ zieht schon längst nicht mehr. Mein Reh bleibt verschwunden.
Irgendwann versinke ich in Resignation und beschließe, dann wird es eben nichts. Mein Dusterklumpen räuspert sich und beginnt leise seine neue Lieblingsarie anzustimmen: „Du wirst versagen, du fällst durch, dein Studium war umsonst!“ – Und was soll ich sagen? Vor lauter Zynismus stimme ich mit ein und schmettere irgendwann ganz inbrünstig den Refrain „Taxifahren muss gelernt sein, denn in der Pommesbude stinkt es! Da will keiner hin, das hat doch keinen Sinn!“
Und just in dem Moment, als ich mich schließlich tatsächlich ins Bett lege, ein gutes Buch zur Hand nehme und schmollend zu lesen beginne – da klingelt ganz leise eine meiner Fallen und siehe da: Mein Reh ist wieder zurück gekommen. Ich werfe ihm aus einiger Entfernung noch ein weiteres kleines Leckerli zu und erfreue mich an seinem Anblick, bevor ich mich mit hochgekrempelten Ärmeln wieder an meine Arbeit begebe. 
Mein Dusterklumpen brüllt ganz laut: „Kusch! Kusch! Hau Ab, blödes Vieh!“, aber das interessiert mein Motivationsrehlein nicht sonderlich. Solange ich es nicht bedränge und es kommen und gehen kann, wie es will, bleibt es zufrieden mümmelnd in Sichtweite sitzen. Und das ist auch gut so, das reicht mir!

Das Letzte Wort – Juli.

Materialismustrauer.
Es war einmal ein kleines Mädchen, das war an und für sich sehr glücklich. Allerdings musste es, wenn die Sonne schien, immer die Augen zukneifen und sah so nicht mehr, wohin es lief. Da kam ein schöner Prinz daher und schenkte ihr ein kostbares Gut, welches sie vor der Sonne schützte und mit dem sie endlich wieder sehen konnte. Seither trug sie es jeden Tag, wenn die Sonne schien, und war noch glücklicher. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann freut sie sich noch heute … 
Aber das tut das kleine Mädchen nicht mehr, denn sie hat dieses Geschenk – man nennt es auch Sonnenbrille – verloren. In der größten Not, als die Sonne am höchsten stand und sie sich im wildesten (Einkaufs-)Gedränge wiederfand, war die Brille – weg. 
Es ist doch wirklich schon albern, wie heftig meine Reaktion darauf war. Ich lief wie ein Spürhund auf Drogensuche, den Blick fest auf den Boden gerichtet, jeden meiner Schritte, den ich bis zu dem Punkt gemacht hatte, an dem ich sie noch sicher bei mir wusste, zurückverfolgend, fragte in allen Geschäften nach, suchte in allen Ecken – aber sie blieb verschwunden. Und da, mitten in der Einkaufsstraße dieser großen Stadt, in der dickesten Hitze, im lustig munteren Shoppingtreiben – began ich zu weinen und zu schluchzen!
Der Grund? Nun, meine Vernunft schiebt es auf den Materialisten in mir. Eindeutig. Das Ding war schließlich sauteuer gewesen. Der kleine runde Narzist mit seinen blonden Locken in meinem Hinterkopf brüllt zudem wütend: „Und die stand mir doch so gut, so eine finde ich doch nie wieder!“ Und ganz kläglich jammernd fügt mein Herz noch an: Es war ein Geschenk. Von ihm!
Mein Dusterklumpen stopft sich seine Finger in die Ohren. Er freut sich nicht gerade über die ganzen anderen Stimmen in meinem Kopf. Er ist lieber alleine für meine schlechte Laune zuständig und veranstaltet darum etwas ganz ungewohntes. Er macht mich darauf aufmerksam, wie lieb sich mein Liebster um mich kümmert, wie er mich tröstet und meinen Kummer versucht zu lindern. Er ist kein bisschen böse, er scheint meine Traurigkeit über diesen Verlust, die weit über den Aspekt des Geldes oder der Optik hinausgeht, zu verstehen. Und genau dieses Verständnis holt mich zurück aus meiner Materialismustrauer. 
Und ein wenig irritiert über seinen Beistand scheuche ich all die anderen Stimmen wieder in ihre Käfige und spendiere meinem Dusterklumpen eine Kugel Eis. Zufrieden schleckt er daran. 
Eine halbe Stunde später raunt er mir allerdings zu: „Aber weg ist die Sonnenbrille ja schon…!“
War ja klar.
   

Das Letzte Wort – Juni.

Qualitätszeit.
Ein bisschen verträumt habe ich meinen Liebsten gestern gefragt, was mich diesen Monat denn so beschäftigt hätte, in Gedanken auf der Suche nach einem schönen Thema für mein letztes Wort. Nach einem kurzen, nachdenklichen Blick gen Zimmerdecke fing mein Mann an zu grinsen und deutete auf sich. „Ich. Ich hab dich beschäftigt. Wir hatten diesen Monat ganz viel Qualitätszeit!“
Ich musste lachen, denn das stimmte, aber gleichzeitig dachte ich mir: Qualitätszeit. Was ist das nur für ein furchtbares Wort für so eine schöne Sache?! Qualitätszeit. Das klingt nach Rechnungen schreiben, Büroarbeit, Wirtschaftsunternehmen, Marketingstrategien. Business as usual? – No way!
Diese Zeit ist genau das Gegenteil. Sie rast nicht mit dir davon wie ein Schnellzug, der dich mit dem gleichförmigen Rattern der Schienen einlullt und bei dem dein Körper schon intuitiv die zu nehmenden Kurven und Linien der Gleise vorausahnt, um mitzuschwingen. Nein. Das ist die Zeit, in der man die Notbremse zieht, das Fenster einschlägt, an der nächsten Station aussteigt und sich die Beine vertritt, endlich bewusst anhält und wahrnimmt.
Diesen Ausstieg habe ich nun also wirklich die letzten Wochen betrieben und gemerkt, wie gut mir, ihm und uns das getan hat. Es waren kleine Momente, nichts weltbewegendes – aber insgesamt ging alles so viel leichter und entspannter von der Hand. Ein schönes Gefühl. 
Daran muss ich festhalten und davon zehren für die nächsten Monate… denn mein Dusterklumpen erinnert mich ganz begierig daran, dass ich im kommenden halben Jahr wohl keine solche Zeit verleben werde – wenn es nach ihm geht, wohl sowie nie mehr – da der Abschluss bevorsteht, der Umzug, die Bewerbung,… 
Oh, da wird gar keine Zeit mehr für so einen Schnulz bleiben, freut er sich und reibt sich seine dicken Patschehände. Hat er recht? War es das jetzt mit der trauten Zweisamkeit für demnächst? Wird die kommende Zeit wieder so schlimm, wie beim letzten Mal? Mute ich ihm nicht zu viel zu? Meine Launen, meine Abgelenktheit, meine Müdigkeit … 
Ich schüttel einmal heftig mit dem Kopf, wie um mir selbst, der Welt und vor allem meinem Dursterklumpen zu bekunden: Nein! Das wird nicht passieren! Ich werde Wege finden – er auch. Und unsere Qualitätszeit – brrr! ich brauche dringend ein anderes Wort dafür – wird siegen! 
Mein Dusterklumpen ist bei der heftigen Bewegung umgefallen und in seine Ecke gekullert. Von da hör ich ihn nur noch grummeln und verächtlich schnauben. Wir werden ja sehen!, blökt er mir noch entgegen. 
Ja, das werden wir!, griene ich angriffslustig in mich hinein …

 

Das Letzte Wort – Mai.

Auf Grund meines momentanen Stresspegels kommt das Letzte Wort – Mai leider etwas verspätet. Ich hoffe, es ist deswegen nicht minder schön 😉
Familiengelüste.
Ich bin eigentlich eine seltsame Mischung aus Kopflastigkeit und Herzsteuerung, aus Rationalität und Emotionalität. Wie auch immer das passt, aber ich habe in vielen Situationen den Eindruck, dass ich atypisch agiere. Eine Sache jedoch, in der ich wohl fast schon überreagiere, ist meine Familie. 
Ich habe eigentlich eine normal große Familie, allerdings ist diese aus verschiedensten Gründen stumm, inaktiv, teilweise sogar zerstritten, schmollend und irgendwie schlicht und ergreifend: etwas verkorkst. Aber welche Familie ist das nicht? Und das passt auch irgendwie zu mir! 
Wahrscheinlich ist das aber der Grund, weswegen ich wie eine Löwin kämpfe und streite und oft auch sehr empfindlich bin, wenn es um meinen unmittelbaren „1. Grad“ wie es so schön heißt, geht. Da verteidige ich und werde biestig, sogar wenn ich mir selbst darüber im Klaren bin, dass mein Gegenüber das Gesagte vllt gar nicht böse meint oder ich selbst es im hintersten Hinterstübchen vielleicht sogar kritisch sehe. Aber das ist ja meine Sache, das geht keinen was an, my home is my castle, my family my kingdom! 
Der Zusammenhalt zwischen meinen Eltern, meiner Schwester und mir ist in meinen Augen wirklich besonders. In den schlimmsten Krisen weiß ich, dass ich mich immer auf sie verlassen kann, dass sie hinter mir stehen und mich unterstützen, wie im Gegenzug ich natürlich das Gleiche auch immer für sie tun würde. 
Darum ist es in meinen Augen schon fast lächerlich, aber ab und an frage ich mich, ob es denn immer erst Krisen geben muss, dass man voneinander hört? In den ersten Jahren nach meinem Auszug habe ich kaum etwas von Zuhause mitbekommen, wenn ich nicht nachgefragt hätte. Inzwischen melden sich meine Lieben von Zeit zu Zeit auch selbstständig, eine Mail, ein Anruf. Das tut gut, das ist schön, ich bin zufrieden. Und trotzdem ….
Manchmal schau ich fast schon etwas sehnsüchtig auf andere Familien. Auch dort gibt es Zwistigkeiten, aber man meldet sich doch irgendwie regelmäßig, telefoniert, besucht, unternimmt, feiert. Ich weiß, dass das bei meiner Familie nicht geht. Gerade aus gesundheitlichen Gründen ist da vieles nicht so möglich, wie man es gerne hätte. Darum möchte ich nicht jammern. Aber gewisse Gelüste verspüre ich dennoch von Zeit zu Zeit … 
Und das freut meinen Dusterklumpen natürlich ungemein! Da hat er dann wieder einen Punkt, mir ein schlechtes Gewissen einzuflüstern oder den Neid zu schüren, das Schmollen, das stumme dramatische Leiden der einsamen Heldin.
Liebes Dusterklümpchen: Das reicht jetzt wieder 😉 Ich bin zwar sentimental – aber kitschig dann doch nicht! Und ich liebe meine Familie, denn es ist meine und alle ihre Macken und Ecken und Kanten sind vielleicht manchmal unerfreulich, aber nicht minder schön – denn die haben wir uns alle gemeinsam zugezogen und das hat uns stark gemacht. 
Gemeinsam!