Ihr Lieben!
Kennt ihr solche Tage, an denen es gar nicht hell wird? Tage, die am Morgen sich schon in ein schweres Gewand aus Grau hüllen und sich damit nur zähflüssig am Himmel entlangschleppen. Tage, die ohne wirklichen Grund sofort dieses eine Gefühl vermitteln, diesen bestimmten Geschmack auf die Zunge legen, noch bevor man etwas gegessen hat. Tage, die sich einfach schon in der Nacht in unsere Träume schleichen und beim Aufwachen aus den Gliedern empor bis in unseren Kopf kriechen, wo sie dann erschöpft darnieder sinken und sich nicht mehr rühren. Tage, an denen es gar nicht hell wird – weder draußen, noch drinnen.
Der Volksmund sagt dazu wohl Winterdepression, die Wissenschaft möchte mir erklären, dass Serotonin und Melatonin etwas damit zu tun haben und das harte Leben schlägt einem Faulheit und Dummheit um die Ohren. Der Körper wirkt wie eine leere Hülle, in ihm nur Nebelschwaden, die ziellos umherwabern, die das Gefäß aber nicht verlassen können. Die Zeit kommt mir dann wie Kaugummi unter meinem Schuh vor: klebrig und endlos in die Länge ziehend, bis er irgendwann reißt und mit einem Ruck der Schuh vom Boden abhebt und einen viel zu großen Schritt macht, bei dem ich ins Stolpern gerate. Denn plötzlich, ohne dass ich es gemerkt habe, ist der Tag fast um – und nichts ist getan.
Und dabei gab es so viele Aufgaben an diesem Tag. Waren es zu viele? War ich überfordert davon? Habe ich mir zu viele kleine Gepäckstücke geschultert, die ich nun doch nicht alle tragen kann? Beginne ich mit dem einen Punkt, verfolgt mich der andere, lenkt mich ab, krallt sich meine Aufmerksamkeit. Ich beginne also neu, diesmal mit ihm, aber wieder ist da etwas Anderes. Ich sitze gefesselt am Marterpfahl dieses Tages, umzingelt von den Kriegern des Stammes Unerledigte-Dinge, die ihre winzigen Speere gezückt haben und mir damit in die Seite pieken. Sie sind überall, ich kann nicht entkommen und ergebe mich also diesem Tag und diesem Gefühl. Nichts geschafft, nichts getan, nichts gekonnt. Nichts.
Diese Tage, an denen es nicht hell werden will. Sie zu bekämpfen, ist hartes Brot. Lichtblicke sind dafür jene Tage, die schon früh die Wolkendecke aufreißen und sich in schönsten Farben präsentieren. Ob rosig, ob hellblau – der Tag wird dann endlich hell. Heute war so ein Tag…
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