Schlagwort-Archiv: Schreibwerkstatt

Durchgangsstadt Halle.

Transitstadt Halle – die Diva in Grau

Ihr Lieben!

Mein Leben verlief lange Zeit so, dass ich – immer wenn ich eine Sache abgeschlossen habe – irgendwie recht nahtlos in die nächste geglitten bin. Oft habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht, die Entwicklungen immer als gegeben hingenommen und konnte damit gut umgehen.

So kam ich auch an mein Studienfach und -ort. Beides hätte ich mir sicherlich bewusster aussuchen, abwägen und umfassender vergleichen können. Habe ich aber nicht. Sondern bin binnen 2 Monaten in eine andere Stadt gezogen – weil sie nicht so weit weg war. Und weil ich da schon jemanden kannte. Und weil es nicht die TU Dresden war. Und nicht Leipzig. Dafür aber Halle.

Die Stadt der 5 Türme - Roter Turm mit Marienkirche.

Die Stadt der 5 Türme – Roter Turm mit Marienkirche.

Halle. Die Diva in Grau. So wurde mir die Stadt an der Saale immer vorgestellt. Ich hatte also Plattenbauten und Tristess deluxe vor Augen, als ich mir sage und schreibe einmal die Stadt vor meinem Entschluss anschaute. Das war im Sommer, tatsächlich ein sonniger Tag. Und alles war so grün und meine Freundin schwärmte mir von Halle und dem Studentenleben vor. Also wurde es Halle. Aber es wurde nichts mit grün und schön. Es wurde ein etwas abgelegenerer Stadtteil und eine WG, die anfangs lustig, später schwierig wurde und irgendwann einfach zerbrechen musste – damit ich nicht endgültig zerbrach.

Diese Erfahrungen verband ich lange Zeit mit Halle. Das Wetter war immer grau, es regnete und war kalt. Immer. Die Wege waren lang, die Menschen seltsam. Verbarrikadiert hinter meinem Schreibtisch, damit mich die Welt da draußen – Halle – nicht kriegen konnte, verharrte ich in einer Art Winterschlaf. Ich gab der Stadt die Schuld. So schlecht ging es mir vorher noch nie. Es musste die Stadt sein. Dass die Gründe woanders lagen, wurde mir erst spät – fast zu spät bewusst.

Georg Friedrich Händel - geboren in Halle - wacht noch immer über die Saalestadt.

Georg Friedrich Händel – geboren in Halle – wacht noch immer über die Saalestadt.

Doch als ich schließlich aus meiner nicht ganz selbstgewählten Festung der Einsamkeit ausbrach, erkannte ich – es lag nicht an Halle. Und plötzlich wurde gar nicht das Grau der prägende Aspekt im Beinamen der Saalestadt, sondern die Diva. Denn Halle konnte auch bunt. Es konnte schön. Es hatte Atmosphäre. Und all die Dinge, die mir bei meinem ersten Besuch so positiv erschienen, krochen langsam wieder in mein Sichtfeld.

So sehr ich die zweite Hälfte meines Lebens in Halle auch liebte und schätzte, so deutlich wusste ich dennoch, dass es niemals diese Leere in meinem Herzen und Bauch ausfüllen können würde. Es blieb diese Beziehung auf Zeit, eine Sommerliebe, eine kurze, emotionale Affäre. Aber es war doch immerhin keine Zweckehe mehr. Denn mit der richtigen Gesellschaft konnte ich die vielen Facetten Halles wesentlich besser genießen.

Die Löwen auf dem Universitätsplatz - wer auf ihnen reitet, bevor er seinen Abschluss hat, soll Unglück erfahren.

Die Löwen auf dem Universitätsplatz – wer auf ihnen reitet, bevor er seinen Abschluss hat, soll Unglück erfahren.

Kultur, Universität und fancy Futter – das alles zusammen mit diesem Gefühl der Freiheit und Selbstständigkeit, welches man wohl wirklich nur in einer Einraumwohnung während des achten Hochschulsemesters hat (längst kein Grünschnabel mehr, aber das Ende hat noch etwas Zeit) – das verknüpft sich unlösbar mit dem Anblick der großen Ulrichstraße, mit dem Reileck und natürlich auch mit den bunten Porzellanstücken im Schaufenster des Café NTs.

Und so kann ich heute doch mit einem lächelnden und einem weinenden Auge zurückschauen, wie man das eben so tut auf eine alte Liebschaft. Und wenn die Sehnsucht nach dieser Zeit wieder emporwallt, verschaffe ich mir einfach mit einem kleinen Kurzbesuch bei der Grauen Diva Linderung, denn – Halle ist ja nicht so weit weg. Und ich kenne da noch jemanden…

Dieser Text ist inspiriert von den Transitstadt-Beiträgen von Stadtnotizen und Les Flâneurs.

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Meh-Tage.

Ihr Lieben!

Es gibt so Tage, da ist einfach alles meh. Egal woran ich denke, was ich überlege oder anfasse – alles ist meh. Zu langweilig. Zu oft schon getan. Zu uninspiriert. Zu anstrengend. Zu was-auch-immer-auf-jeden-Fall-zu-sehr! Und eigentlich – eigentlich liegt es gar nicht an dem Tag, sondern an mir selbst. Und das ist erst recht zu – nämlich zu ärgerlich!

Vor mir liegen alle Möglichkeiten. Das Internet ist groß und voller Inspirationen, kreativer Menschen und lustiger Challenges. Der Materialfundus ist eigentlich gar nicht so klein, tut nur immer so und bietet theoretisch viel Auswahl. Und ich – Eigenlob stinkt ja bekanntlich, aber Selbstbewusstsein soll man ja üben – bin auch eigentlich nicht total unbegabt. Also, woran hapert es nun bitte sehr?!

Denn trotz all dieser Tatsachen ist und bleibt so ein Tag einfach – meh. Und ich hasse es. Dieser seichte gen Null tendierende Elan. Dieser träge einen nach unten ziehende Kloß im Bauch, der jede aufkeimende Begeisterung noch im Moment des Registrierens wieder erstickt. Was aber tun – denn auch wenn es immer so schön heißt: Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung – was ist dann der zweite? Oder der dritte?

Schritt 1: Beweg deinen Hintern!

Damit meine ich nicht Sport – obwohl das theoretisch auch hilft. Aber seinen wir mal ehrlich: Wenn ich mich schon nicht zum Kreativsein aufraffen kann, wie hoch ist dann bitte schön die Wahrscheinlichkeit, dass ich Sport mache?! Genau. Verschwindend! Ich meine damit tatsächlich eine lokale Veränderung. Ich siedel je nach Intensität meiner Meh-Stimmung dann manchmal vom Schreibtisch auf die Couch über, da ich diese weniger mit diesem frustrierenden Meh-Gefühl verbinde. Das hilft oft schon.

Schritt 2: Abwarten und Teetrinken!

Okay, bei mir ist es selten ein Tee, sondern meist doch ein Cappuccino. Aber so ein Heißgetränk hilft manchmal schon Wunder, um dieses Grübeln und Schmollen in Kopf und Herz einfach wegzuspülen. Ich meine – es ist warm und lecker und… verdammt, jetzt hab ich mir die Zunge verbrannt! Aber genau das ist es: Es lenkt ab! Du konzentrierst dich plötzlich auf etwas ganz anderes und lässt den Rest des Hirns wieder unbeaufsichtigt spielen.

Schritt 3: Geteiltes Leid…

…ist halbes Leid, heißt es doch so schön. Und genau diesem Rat folge ich aktuell. Denn wenn meine sonstigen Vermeidungstechniken wirklich nicht mehr greifen, dann hilft dem geneigten Blogger nur eins: Der Welt erzählen, wie schwer er’s hat. Nein, im Ernst – ein bisschen darüber schimpfen und meckern schadet nie, solange man sich nicht vollends im Selbstmitleid aalt. Im idealsten Falle erhält man so vielleicht sogar neue Anregungen, wie man mit Meh-Tagen umgehen kann. Oder man hört einfach, dass man damit nicht allein dasteht.

Also… hoffentlich 😉

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Darum blogge ich…

Ihr Lieben!
Wenn ich einen freien Tag habe, stehe ich gerne auf und schmeiße mir meinen PC an. Bei einer gemütlich vor sich hindampfenden Tasse Chai-Tee öffne ich dann meinen Browser, um erstmal entspannt in den Tag zu starten. Die Startseite – mein Blog-Dashboard. Früher war es deviantart (eine internationale Künstlercommunity), aber inzwischen ist es seit vielen Jahren schon mein Blog.
Ob das egoistisch ist? Dass der erste Blick in die Welt – denn das ist es für mich, wenn ich das Internet öffne, ein kleines Fenster in die große weite Welt – dennoch auf mich gerichtet ist? Dass mich nicht Nachrichten von anderen interessieren, sondern wie meine verbalen Auswürfe vom Internet über Nacht angenommen wurden? Der Blick scannt – habe ich Kommentare? Habe ich einen neuen Leser? Wie sind die Klickzahlen? Das klingt doch wirklich schlimm, oder?
Ist es aber nicht. Versprochen. Denn der Grund dafür ist eigentlich ganz schlicht und ergreifend der, dass Bloggen inzwischen so sehr Teil meines Lebens geworden ist, dass ich so einfach nur kontrollieren will, ob alles noch im Rahmen ist, ob ich noch da bin, wo ich eigentlich hin will – und ob ihr noch mitkommen mögt…  

Wie alles begann.

2007. Wow, das ist eine lange lange Zeit. Im Sommer habe ich das erste Mal einen Post auf diesem Blog hier veröffentlicht. Damals war es noch das grenzentnervte Geblubber einer Postpubertären Fast-Abiturientin, die sich in ihrer direkten Umwelt (aka. Schule) weniger zuhause fühlte, als in „der Szene“ – was auch immer das war. Meine Gedanken und Gefühle – so nichtig sie mir heute vorkommen – konnte ich eine Weile nur hier wirklich herauslassen. Ob das jemand lesen würde, war mir eigentlich immer ziemlich egal. Einfach mal die Sau in den Äther hinausposaunen. Wieder durchatmen. Und weitermachen. 
Dann kam das Studium. Überraschend und holprig war die erste Zeit, denn noch nie war ich von Daheim so lange und so weit fort. Nun war das Internet und der Blog nicht mehr Frustabbau, sondern eine Möglichkeit Kontakt zu halten. Und dann? Ja, dann kam sie. Mit ihrer Kreativität und ihrer Entschlossenheit. Mit ihrer ganzen Art hat sie mich umgehauen und angesteckt. Und plötzlich machte ich Schmuck und häkelte wieder und setzte mich tatsächlich auch wieder hinter eine Nähmaschine. Und Papier. Oh ja, Papier… Diese Begeisterung zog auch im Blog ein. Ich weiß gar nicht, ob sie es weiß – aber Iv ist für mich und diesen Blog ein Feuer gewesen, ohne das es Palandurwens Imaginarium sonst wohl nicht gegeben hätte.

Die Richtung ist so eine Sache.

Kreativ und bunt ging es also zu – mal dies, mal das. Ich probierte mich aus, schrieb und zeigte sogar ein wenig von meinen Shootings. Alles durfte, alles sollte. Von Schmuck über Essen über meinen Studienalltag bin hin zu Nagellack. Es war viel. Sehr viel.
Zu viel? 

Immer wieder fragte ich mich insgeheim – sollte ich nicht eine Richtung wählen? Bringt ein Blog, der über alles und nichts schreibt denn etwas? Ich persönlich las ja auch viele Blogs, die eher mono- oder bithematisch veranlagt waren. Ein Kernpunkt mit einigen Ausflügen nach links und recht. Wollte ich das nicht vielleicht auch?

Es brauchte Jahre, bis ich mich dazu entschloss. Und der Umsetzungsprozess dauert immer noch an. Genau wie die Unsicherheit. Ist das Ganze nicht immer noch zu viel? Schaffe ich es, alle Themen gleichmäßig zu bespielen? Sollte ich es nicht vielleicht doch lassen? Das Bloggen – einst Sprachrohr und Freiheit – begann mir tatsächlich ein bisschen schlaflose Nächte zu beschehren. Bis ich schließlich beschloss: „Ich mach das jetzt. Mein Blog, meine Regeln. Basta!“

Willkommen im Imaginarium.

Ich ordnete, ich sortierte innerlich, ich schraubte und überlegte und schließlich ergab sich mein Imaginarium. Ein Ort zum Träumen und zum Abschalten. Ein Platz, an dem ich mich nicht mit „harten Nachrichten“ und „ernsthaften Themen“ rumärgern musste, sondern an dem es nichts wichtigeres gibt, als eben gerade eine Karte zu basteln, die neuesten Fotos zu zeigen, ein gutes Buch zu lesen oder die Mütze für die Freundin fertig zu stricken. Ein Ort für mich, nur mich – und alle meine Leser. Eine kleine Oase, in der man ungestraft entspannen kann. 
Ich möchte inspirieren und allen Menschen, die zufällig oder absichtlich bei mir landen, zeigen, dass es vollkommen okay ist, auch einmal die Seele baumeln zu lassen. Immer dieser Druck – höher, schneller, weiter. Realitätsflucht ins Hausfrauendasein. Sinnloser Zeitvertreib. Solche Urteile wird man hier nicht hören, denn solche Worte werden meist von denen genutzt, die einfach nicht mehr aus dem Hamsterrad herausfinden, denen davon so der Kopf schwirrt, dass sie nicht mehr wissen, wo oben und unten ist und deswegen logischer Weise die Falschen beschimpfen. Das ist traurig und schade – aber vielleich können wir ja zusammen – also die, die gelegentlich einen Schritt aus dem Alltagstrab herauswagen und stehen bleiben – denen, die es nicht schaffen, einen Stock ins Hamsterrad rammen, damit auch sie endlich mal aussteigen können. 
Wenn ich das schaffen kann, dann bin ich glücklich. Und um das zu erreichen, blicke ich morgens als erstes auf den Blog. Ich nehme mir viel Zeit dafür, denn ich will Menschen erreichen. Ich will, dass sie sehen, dass es vollkommen okay ist, durchzuatmen. Kein Hobby ist albern oder peinlich, solange es hilft, den Wahnsinn zu ertragen oder ihn vielleicht sogar schöner werden zu lassen 🙂 
Darum blogge ich also – und darum schraube ich auch immer wieder an meinem Blog herum. Hier kommt etwas neues, dort ändert sich wieder etwas. Mal ist es stiller, mal sprudelt er über – aber er ist da. Für mich – und für alle anderen. 
Wenn sie denn möchten. 🙂 
Diese Zeilen habe ich geschrieben, um dem wunderbaren Aufruf der lieben Mel von kreativsüchtig nachzukommen. Sie hat in die Bloggersphäre gefragt „Warum bloggt ihr?“ – und wir haben geantwortet.
Und es ist toll zu lesen, warum jemand bloggt. 
Also – warum bloggt ihr? Erzählt es doch einfach mal und verlinkt euch gerne bei Mel, damit alle anderen auch erfahren, was euch am Bloggen so reizt 🙂  
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David gegen Goliath?

Ihr Lieben!

Es gibt so Tage, da habe ich das unbändige Bedürfnis, in einer Zeitschrift zu schmökern. Die Haptik des Papiers, so glatt und kühl. Das Geräusch, dass die Seiten beim Umblättern machen, mal dunkel knirschend, mal aufgeregt raschelnd. Die Farben und Bilder, das hübsche Layout. Um mich mal zu outen: Oft lese ich erstmal gar keine Artikel, sondern schaue mir nur die grafischen Elemente durch. Ein schnelles blättern, ein kleiner Farbrausch. 
Neulich war es wieder soweit, ich habe mir spontan eine Zeitschrift noch gekauft. Und nach meinem ersten Stöbern, Betrachten, Träumen habe ich mich daran gemacht, auch die intellektuelle Seite zu befriedigen (soweit das bei einem Frauenmagazin eben möglich ist ^^) und in den Beiträgen nach interessantem Input gesucht. Schon ziemlich schnell wurde ich fündig, bei einem Interview mit der Inhaberin des großen deutschen Modehauses „Eickhoff“ und ihrem Vater, dem Gründer dieses. Thema war, dass Eickhoff schließen wird, da es sich im Hamsterrad der Modewelt einfach nicht mehr sicher platzieren kann. Die großen Designer wollen alle eigene Shops oder schreiben den Boutiquen pedantisch vor, wer was wie viel einkaufen darf. Zusätzlich wird auch der Druck zu sogenannten „Billigketten“ wie Zara, H&M und Primark einfach zu groß und das Internet verlockt ohnehin schon in fast diabolischem Ausmaße die Einkäufe eher vor dem Monitor als im Laden zu tätigen. Die klassische Boutique stirbt aus – die Ladenzeilen der Welt ähneln sich immer mehr bis zur vollkommenen Langeweile.

Dresden gehörte 2011 zu den 20 Top-Einkaufsmeilen im deutschsprachigen Raum.
Aber ist das wirklich so spektakulär, wenn man an das nicht sonderlich abwechslungsreiche Angebot denkt?
Das hat mich nachdenklich werden lassen. Diese Entwicklung kann ich durchaus nachvollziehen und bestätigen. Die Moderiesen übernehmen immer mehr den Geschmack, Alternativen gibt es kaum. Man findet sie überall, Primark kommt jetzt auch nach Dresden. Selbst bei Kleiderkreisel und Co. finde ich häufig nur noch H&M und ZARA Produkte. Sehr traurig, sehr eintönig, sehr langweilig. Von den wahrscheinlich katastrophalen Produktionszuständen fange ich jetzt gar nicht an zu sprechen (auch wenn ich mich frage, ob das bei Dior und Co besser läuft…).
Aber dann frage ich mich auch: Wer bitte schön kauft denn überhaupt in diesen Boutiquen ein. Die Kleidung ist für mich beispielsweise einfach finanziell völlig unerschwinglich, jenseits von gut und böse. Ob sie meinen modischen Geschmack treffen, kann ich gar nicht beurteilen, dafür betrete ich sie einfach zu selten (wer schaut sich denn gerne Dinge an, die er doch nicht haben kann?). Ergo bin ich gezwungen bei den „normalen“ Ketten zu kaufen. Und ganz ehrlich? Teilweise kann ich mir nicht mal diese Kleidung zum Orginalpreis leisten und warte nicht nur aus Shoppinggeilheit auf den Sale. 
Der Artikel endete mit den Worten: „Wir haben 53 Jahre die Mode und den Stil in Deutschland geprägt. Mode ist vergänglich. Stil eben nicht.“ Der Satz ist grundsätzlich super in meinen Augen. Aber dann … bin ich also stillos?
Schon seit einer Weile plage ich mich mit dem Gedanken herum, dass ich eigentlich gerne andere Kleidung kaufen würde, fernab des Trendzirkus und Einheitsbreis. Doch das ist oft nicht erschwinglich. Individualität ist eben teuer? Bin ich also ein graues Duckmäuschen? 
Vor diesem Artikel habe ich übrigens noch nie etwas von Eickhoffs Modehaus gehört. Ich lebe nun zwar auch nicht in Düsseldorf und verkehre eben auch nicht in den entsprechenden Kreisen, aber die großen Labels kennt man ja dann doch. Warum dann nicht Eickhoff? Vielleicht bin ich wirklich stillos.
Mit Buchläden ist das ja ähnlich. Wer geht heute noch in die kleinen Läden, versteckt in den Seitenstraßen, fast unsichtbar eingequetscht zwischen Fleischer und Nagellackstudio. Ich liebe diese niedlichen Lädchen und besuche sie als Touristin in anderen Städten oft. Aber Zuhause ist Thalia und Hugendubel – oder auch Amazon – einfach näher, größer, schneller und bietet die bessere Auswahl. Dabei ist doch dank Buchpreisbindung hier nicht mal das Geld das Problem, sondern nur die Bequemlichkeit. Ist das bei der Kleidung nicht doch auch ein Punkt? Wer weiß.
Es ist auf jeden Fall ein Muster, dass sich durch den kompletten Alltag zieht. Kleidung und Bücher sind der Anfang, es geht weiter über Möbel, Lebensmittel, Elektrogeräte. Die Liste ist lang. Und ich als Verbraucher stehe ganz am unteren Ende, fühle mich erschlagen von all den Wünschen, die ich habe oder auch eingeimpft bekomme; überfordert von all den Meinungen und moralischen Überlegungen, die auf mich einprasseln und an mir zerren; und schließlich resigniere ich einfach. Der Pullover und das Buch werden online bei Zalando und Amazon geordert und ich verstecke mich auf dem Sofa unter der Schmusedecke, meine Zeitschrift auf dem Schoß, und blättere wieder darin, um von Dingen zu träumen, die ich nicht haben kann. 
Der Kampf zwischen den kleinen Boutiquen und großen Ketten, zwischen mir und der Konsumwirtschaft, zwischen David und Goliath. Ob er je gelöst wird?
*Der Artikel ist in der aktuellen Ausgabe der Brigitte zu finden (Nr. 11, 7.5.2014)

Leerstand.

Im tiefsten Inneren weiß ich, dass ich es nicht mehr lange schaffen kann. Wie eine dicke Luftblase unter Wasser stößt die Gewissheit langsam, träge, aber doch zielstrebig an die Bewusstseinsoberfläche: Gleich bin ich wach.
Ich rede mir ein, dass ich eigentlich noch schlafe, es ist noch nicht Zeit, noch nicht an der Zeit für offene Augen, noch zu früh für Bewegung. Eigentlich schlafe ich noch. Eigentlich bin ich noch im Land der watteweichen Wunderträume – obwohl ich da schon lange nicht mehr war. Eigentlich. Eigentlich ist eigentlich eine Verneinung. 

Dein Wecker klingelt und verschafft mir Gewissheit – Schrecken und Erleichterung in Personalunion bei jedem grellen Piepen dieses kleinen schwarzen Kastens auf deiner Nachttischseite. Schnell schaltest du ihn aus und ich kneife die Augen noch etwas fester zu, damit du denkst, ich schlafe noch. Wenigstens du sollst das denken. Glauben, dass alles in Ordnung ist, vertrauen, dass ich gut geschlafen habe, mit schönen Träumen. 
Mit einer Mischung aus Behutsamkeit und Trägheit schälst du dich unter der Bettdecke hervor. Der Klang der Tür, die du sachte schließt ist das Ende meiner Scharade. Klack – die Tür ist geschlossen. Klack – die Augen öffnen sich. Und starren ins Leere. Ich ertrage die Zimmerdecke nicht, unsere Gardinen auch nicht. quälend langsam schiebe ich meinen müden Körper die unendlich weit entfernten Zentimeter rüber auf deine Bettseite, um ein bisschen von deiner übriggebliebenen Wärme einsaugen zu können. Wie eine Katze rolle ich mich zusammen, rolle mich um diesen Rest an Wohlgefühl, der bald auch verfliegen wird, bald nicht mehr als Du auszumachen ist, da ich ihn mir komplett einverleibt habe.
Ich verfolge die Geräusche, die von deiner Gegenwart zeugen. Der Wasserhahn, die Dusche, der Wasserkocher. Das Klirren deines Löffels in der Schüssel. Das ganz leise, dumpfe Quasseln des Fernsehers. Und darüber finde ich nochmals Ruhe. Kann die Leere doch noch einmal aussperren. Meine Augenlider gleiten wieder zu. Für Sekunden im Minutentakt schleiche ich mich nochmals aus dem Wachsein in die wohlige Zwischenwelt des Dämmerzustands. 

Rechtzeitig mit dem Brummen deiner elektrischen Zahnbürste im Bad wache ich wieder auf. Schon kommst du leise ins Zimmer und setzt dich aufs Bett, vorsichtig, damit du mich nicht vielleicht weckst. Schon längst habe ich für dich meine Augen aufgeschlagen, schon längst mein Lächeln gefunden und rasch geputzt aufgesetzt. Guten Morgen mein Schatz!
Unser täglicher Dialog spielt sich wie ein Ritual ab. Doch die Uhr ist unerbittlich. Zum Abschied schmiege ich mich nochmals an dich, zögere mit noch einem Kuss dein Weggehen etwas länger hinaus, versuche gespielt dich wieder ins Bett zu ziehen – aber innerlich doch halb ernst gemeint. Und schließlich lasse ich dich gehen. Ist alles okay? Ja, alles in Ordnung, hab einen schönen Tag!
Ich verfolge dich mit den Ohren. Der Reißverschluss deiner Jacke. Die knarzende Wohnungstür. Das metallische Klirren der Schuhlöffels, den du wieder an die Treppe hängst. Deine Schritte – etwas schwer und müde noch – die Stufen herunter. Deine brummelnde Stimme, im immer wiederkehrenden Zwiegespräch mit der ungeduldigen Katze. Und dann ist die Tür zu. 
Doch ich glaube dich immer noch zu hören. Meine, zu wissen, dass die kalte Morgenluft deinen Hals reizt und du zwei Mal husten musst. Bin mir sicher, das Klickern des Autoschlosses vernommen zu haben. Das dumpfe Dröhnen des Dieselmotors höre ich mit gespitzten Ohren tatsächlich. Und dass es sich entfernt auch. Irgendwann zwischen zwei Herzschlägen habe ich es in der Ferne verloren. 

Was bleibt ist die Leere, die Zimmerdecke und der Gedanke, dass dieser Tag auch wieder nichts bringen wird. Schlafen kann ich nicht mehr, liegen ertrage ich nicht. Ich stehe auf. 
Warum? Wozu? Es ändert sich nichts. Anfangs war ich noch energiegeladen, schon bald nur noch hoffnungsvoll. Inzwischen ist Frust geblieben. Und ich weiß es, ich merke es, die Verzweiflung kratzt im Hintergrund, will raus kommen zum Spielen. Aber noch habe ich genug Kraft, ihr Hausarrest zu verdonnern.
Aber wie lange ich gegen diese Leere noch ankomme – manchmal weiß ich es nicht mehr. Manchmal vergesse ich mich, obwohl ich mich doch finden will. Kann man vor lauter suchen das verlieren, was man schon hatte, so dass nur noch Leerstand bleibt?
Ich hoffe nicht.

Und solange ich noch hoffe, bin ich noch nicht ganz verschwunden. Das weiß ich. 

Bitte nicht all zu wörtlich bzw. dramatisch nehmen, es ist eine Schreibwerkstatt-Arbeit! 😉 

Von der Freundlichkeit des ‚Nein‘

Ihr Lieben!
Da regen sich die Leute über die Jugend von heute auf, über deren nichtvorhandene Erziehung, ihrem verunglücktem Anstand und dem durch Abwesenheit glänzenden Mitgefühl. Und so sehr ich in meiner Grießkram-Renter-Motz-Mentalität gerne in diesen Chorus einstimme und mich dabei galant aus dem Brei der ungezogenen Rotzbratzen herausnehme, so muss ich diesen Objekten meines Ungemachs doch eine Tugend widerwillig zugestehen: Sie sagen Nein.
Selbst die kleinsten Schreibabys artikulieren schon ihre Ablehnung, die in den Hormontopf gesprungenen Pupertätsopfer drücken sich ähnlich unmissverständlich aus („Ey alda, NEEE! Isch hau disch Krankenhaus, alda!„) – warum denn dann nicht wir sogenannten Erwachsenen? Es würde viele Sachen so viel einfacher machen! 
Nehmen wir mal beispielsweise das Benehmen der älteren, seriöseren Zünfte im harten Kampf um eine Arbeitsstelle. Hier hat sich heutzutage nämlich auf Seiten der Arbeitsgeber diese besondere neue Spezies des menschlichen Schwarzen Lochs eingebürgert. 
Hat man noch so stark und scharf an einer Bewerbung gefeilt, sich das Herz aus der Brust gerissen, es ausgewrungen und mit dem Blut die einzelnen Wörter behutsam und bedacht auf das Papier gebracht – und man stelle sich bitte die Verzweiflung in diesem Szenario vor, wenn es zu einem Rechtschreibfehler kommt… Man hat also jeden Buchstaben sorgfältig abgewogen, tütet sein nach Außen gekehrtes Inneres in diesen großen braunen Umschlag ein, drückt ihm noch einen Kuss auf und übergibt ihn zittrig dem gelangweilt schauenden Postbeamten – der sich der fundamentalen Bedeutsamkeit dieses Augenblicks gar nicht bewusst ist, der Banause – und beginnt dann zu warten.
Und man wartet. Und wie man wartet. Geduldig. Beherzt. Hoffnungsvoll. Erbebend bei jedem Klingeln, herzinfarktgefährdert bei jedem Gang zum Postkasten. Doch diese Beziehung verschlechtert sich zusehends in den nächsten Tagen bis es zu einem frustrierten, hasserfüllten Grollen dem kleinen Blechtier gegenüber wird. Irgendwann begreift man schließlich, dass er ja nur das Ende in dieser grausamen Kette der Verachter und Quälgeister ist. Der nächste Schuldige ist der Postbote oder besser noch die gesamte Post, ja, sicherlich dieser Arsch von Postmensch, der den Brief damals gar nicht in den Postausgang sortiert hat, sondern ihn gemeiner Weise in die Ablage P (P wie Papierkorb) gepackt hat. Einfach weil er’s kann. 
Doch dies lässt sich nun natürlich schon lange nicht mehr nachvollziehen, geschweige denn beweisen. Mal ganz unter uns und im sachlich-nüchternem Bewusstsein gedacht, wird dem wohl auch nicht so sein. Denn der wahre Grund sind eben diese menschlichen schwarzen Löcher. Ohne darauf zu achten, ob es Sonnen oder Geröllklumpen, Werbeprospekte des Supermarktes gegenüber oder Bewerbungsunterlagen einer nette jungen Frau sind – alles wird ungesehen verschluckt und landet in einer stummen, starren, kalten Schwärze, aus der es kein Entrinnen mehr geben wird. Und somit natürlich auch keine Rückmeldungen mehr nach Außen. Diese menschlichen schwarzen Löcher sind also wahrschienlich zu einem großen Teil mit Schuld an dem schlechten Verhältnis der Verbraucher den Postunternehmen gegenüber. Mit einem kleinen Wort wäre es doch schnell getan gewesen und man hätte nicht viel Aufwand gehabt und wesentlich mehr Liebe in der Welt. 
Das Wort lautet Nein. 
Vier Buchstaben, die es wert sind, ausgesprochen zu werden. Dadurch würden Resourcen vernünftiger und ökonomischer genutzt. Das zwischenmenschliche Verhältnis würde sich rapide bessern. Und es ist doch auch für den Aussprechenden eine gewisse Erleichterung, keine Repressalien mehr von unamüsierten Bewerbern erwarten zu müssen, die sich mit Gewalt ihre Antwort aus dem Personaler herausschütteln wollen. 
Nein macht glücklich, Nein beruhigt, Nein bringt Klarheit – und vielleicht sogar den Weltfrieden (Nein zum Krieg wäre doch auch mal was!).*
Aber offensichtlich stehe ich damit allein da. Ich werde also weiter meinen Briefkasten foltern, meinem Postboten argwöhnisch entgegenraunen, dass ich genau weiß, was für Machenschaften er betreibt und den bestmöglichsten Einstieg in mein Wunschunternehmen planen, um dem schwarzes-Loch-Personaler mal ordentlich verbal auf den Tisch zu kacken.
Bisher sieht dieser Plan vor, mich als Pizzabote mittags einzuschleusen. Ich habe sogar schon Ausschreibungen dafür gefunden. Da setz ich mich doch gleich mal ran und schreib eine neue Bewerbung.
Halt. Irgendwas stimmt da nicht … 
*natürlich weiß ich, dass Nein auch Kummer bringt. Nein auf die Frage, ob man einen Käsekuchen kriegt. Nein auf die Frage, ob jemand mit einem spielen will. Oder eben Nein auf die Frage, ob man diese eine Stelle bekommt. Aber es bringt dennoch eine gewisse Erleichterung. Immerhin.

Das Letzte Wort – November.

Der Grinch.
Die Luft ist kalt, der Wind zupft an den Wangen und an der Nasenspitze, die Tage sind nur noch kurz von Helligkeit geküsst – der Winter naht. Grundsätzlich für mich nichts Schlimmes, bin ich doch ein Winterkind. Und um das Vermissen des Sommers etwas abzumildern, haben die Menschen sich ja Weihnachten gleich zu Beginn der dunklen Jahreszeit gelegt. Wie schön. Glitzer, Funkel, Heimlichkeit. Zuhause sitzen und träumen, planen, Familie und Zweisamkeit, Aufmerksamkeiten überlegen und viele süße Schweinereien futtern. Das hat mir immer Freude bereitet, mich immer getröstet.
Eigentlich.
Denn dieses Jahr fühle ich mich wie der Grinch. Weihnachten wird für mich kaum stattfinden, denn das Schönste daran für mich – die Geschenke und Karten für die anderen vorbereiten – fällt dieses Jahr weg. Das Schmausen und die Gemütlichkeit genauso. Dieses Jahr ist einfach nur Stress und Mangel angesagt: Mangel an Zeit, Mangel an Geld, Mangel an Ruhe – Mangel an Freude. Denn dieses Weihnachten wird mein Leben von Grund auf verändert. Ich ziehe weg, heim – wie auch immer. Da will einfach keine Weihnachtsstimmung aufkommen.
Noch schlimmer wird es, weil bereits seit Sommerende die Schokoweihnachtsmänner und Adventskalender in den Regalen der Supermärkte stehen. Ich weiß, das sagen alle, aber – das wird doch auch immer früher oder? Genau wie das Schmücken – wieso zum Henker will man denn schon im Oktober Weihnachtsbäume in den Geschäften stehen sehen? Ich versteh es nicht. Am liebsten würde ich wirklich grün und fusselig werden, damit ich ganz legal rumwüten und meinen Unmut über dieses Weihnachten ausdrücken kann.
Meinen Dusterklumpen freut das übrigens ungemein. Er hat schon fast ein paar Freudentränchen in seinen kleinen Schweinsäugelein und sein Herz schwillt vor Mutterstolz. Hat er es doch noch geschafft, mich endgültig auf die dunkle Seite der Macht zu ziehen?
Aber nein. Ich will das nicht. Ich will kein Grinch sein und grün und fusselig ist auch gar nicht trendig, sondern doch schon mindestens von der letzten Winter-Kollektion. Das tut gar nichts für mich! Nur weil ich kein Weihnachten haben kann, heißt das nicht, dass die Welt darauf verzichten muss. Ich werde versuchen mich von der Stimmung der anderen inspirieren zu lassen. Wenn man eine rote Socke in die Waschmaschine gibt, werden doch die weißen Sachen auch schnell zumindest rosa. Also – lasst mich rosa werden, das ist die Trendfarbe!
Mein Dusterklumpen hat sich im übrigen trotzig das grüne Fusselkostüm genommen, sich in seine Ecke gesetzt und mir schmollend und grollend den Rücken zugewandt. Ich werde ihm das Fusselteil heute Nacht heimlich anpassen – dann kann er pünktlich zum 1. Advent rumgrinchen, wie er mag.