Das Leben ist ein listiger Kater

Marie-Sabine Roger – Das Leben ist ein listiger Kater

Ihr Lieben!
Nach dem ich auch schon die beiden letzten Romane von Marie-Sabine Roger gelesen und dabei gleichzeitig lieben gelernt habe, war es natürlich klar, dass ich auch ihr drittes in Deutschland erscheinendes Werk schnellst möglich in den Fingern halten wollte, um es buchstblich zu verschlingen. Als ich dann sogar die Gelegenheit bekam, es als Rezensionsexemplar für den neuen Verlag, welcher den Titel herausgibt, durchzuarbeiten, war schier kein Halten mehr. Nun kann ich euch also die Rezension zu Marie-Sabine Rogers neuestem Werk „Das Leben ist ein listiger Kater“ präsentieren.

„Ich will ja nicht angeben, aber so mit sechs, sieben Jahren hatte ich in Sachen gesetzlich verbotener Straftaten schon einiges ausprobiert. Raubüberfall, Nötigung, Erpressung… In Puncto Nötigung hatte ich versucht, Marie-José Blanc zu küssen. Sie biss die Zähne zusammen, deswegen kam ich nicht weit. Aber die Absicht zählt. (…)
Seitdem ist eine Menge Wasser unter den Brücken durchgeflossen. Und kürzlich wäre ich beinahe mit davongeflossen: Vor ein paar Tagen wurde ich in letzter Minute mitten aus der Seine gefischt. (…)
Ich wachte auf der Intensivstation wieder auf, mit einem Polytrauma – das macht doch was her, oder? – und bewacht von einem besorgt wirkenden Polizisten. (…) Schließlich drangen ein paar Fetzen zu mir durch: ‚Haben Sie vielleicht eine Ahnung, was Ihnen passiert ist? Wir treten nämlich mit unserer Untersuchung im Moment auf der Stelle…‘ 
(…) Ich drehte den Kopf leicht hin und her, nur eine Spur, aber genug, dass sich die Zimmerdecke drehte und die Matratze schwankte. Tut mir leid. Keine ahnung, wie ich hierhergeraten bin. Er stellte mir eine weitere Frage, die eine Weile brauchte, bis sie bei mir ankam. Bevor mir die Augen wieder zufielen, schüttelte ich noch einmal den Kopf. Nein: Ich hatte nicht versucht, mir das Leben zu nehmen. Ich bin nicht selbstmordgefährdet. Das erledigt sich mit der Zeit von selbst.“
Jean-Pierre ist verwitweter Rentner, kinderlos, besitzt kein Haustier und bezeichnet sich selbst wohl mit allem Recht als eigenbrödlerischen Alten, der am liebsten einfach nur seine Ruhe haben will. Dieser Wunsch wird ihm jedoch nicht erfüllt, liegt er doch nach einem mysteriösen Unfall auf der Intensivstation und muss sich von überarbeiteten Krankenhauspersonal, anderen Patienten, dem jungen Polizisten, der seinen Fall untersucht und sogar von seinem Retter einiges gefallen lassen. Niemand schließt seine Tür, die Ärzte sehen ihn nur als Ansammlung seiner Verletzungen und die peinlichen Höflichkeitsbesuche seines Bruders, mit dem er leider so gar nichts gemein hat, außer seinen Eltern, zerren enorm an seinem Nervenkostüm. Stoisch erträgt er die ganze Situation und kann eigentlich kaum erwarten, sich endlich wieder Daheim in seiner Einsamkeit zu suhlen – da begegnet er der herzensguten Krankenschwester  Myriam, die in ihrer fröhlich-geschwätzigen Art den alten Grießgram zu knacken beginnt. Plötzlich sind die Besuche des jungen Polizisten gar nicht mehr so erschöpfend, bemerken sie doch überraschende Geminsamkeiten. Auch die kleine Rotzgöre, wie Jean-Pierre eine 14-Jährige Mitpatientin herzlich tauft, welche sich ungefragt bei ihm einnistet, um ihm seinen Computer für Facebook abzuluchsen, wird mit jedem Besuch weniger lästig. Und als er schließlich seinem Retter von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht und von dessen harten Schicksal erfährt, beschließt der knurrige Rentner einen Schritt, den er noch wenige Tage zuvor niemals für möglich gehalten hätte…
Mit Biss, Witz, einer ordentlichen Prise Sarkasmus und der darin gut verpackten Wahrheit ausgestattet, ist Jean-Pierre ein Ich-Erzähler, an dem man vom ersten Wort an so seine Freude haben wird. Ganz getreu dem Motto, wenn das Leben dir Zitronen gibt, frag nach Salz und Tequilla, versucht er die ihm zwangsauferlegte Pause von seiner Einsamkeit damit zu überbrücken, seine Memoiren zu schreiben. Doch das Krankenhaus ist dafür wahrscheinlich der ungünstigste Ort überhaupt, wird der alte Mann doch ständig in seinen Erinnerungen an seine Jugend, seine Familie und dem Leben mit seiner Frau unterbrochen. Dennoch wird deutlich, dass er schon immer ein harter Hund gewesen sein muss, früh das Fernweh in der Brust und, zwar den Genüssen der Welt zugetan, aber doch nie völlig bei jemand anderem als sich selbst. 
Doch dieses Verhalten hat ihm noch nicht gänzlich den Blick auf die Realität verbaut und so geht er nicht nur mit seiner Familie, sondern auch mit sich selbst ehrlich ins Gericht. Die dabei in ihm wieder aufgewühlten Erkenntnisse sind wahrscheinlich der Ausschlaggeber für sein sich bedächtig, fast unmerklich abwandelndes Verhalten seiner Umwelt gegenüber. Denn aus dem grummeligen alten Sack, wie er sich selbst beschreiben würde, wird schließlich „Opa Jean-Pierre“.
Diese Wandlung, die mit so viel Humor und Liebe zum Detail von der Autorin dargestellt wird, mitzuverfolgen, war ein großer Spaß für mich. Es gab kaum ein Kapitel, welches ich nicht mit wenigstens einem Schmunzeln, wenn nicht gar einem lauten Lachen beschlossen habe. Doch auch die anderen Charaktere bestechen mit ihrer Art und Weise. Roger hat es geschafft, sie alle recht plastisch und echt zu zeichnen. Jeder hat seine eigene Sprache, seinen eigenen Ton und die entsprechenden Nuancen. 
Und auch wenn bis zum Schluss nicht klar ist, aus welchem Grund der Roman eigentlich diesen Titel trägt und ich mir diese Frage immer und immer wieder gestellt habe, so ist die letztendliche Aufklärung dieser alles Rätseln wert und so typisch Marie-Sabine Roger, dass es eine wahre Freude ist.
Mein Fazit: Ich habe schlicht und ergreifend nichts auszusetzen an diesem Buch. Amüsant, abwechslungsreich, herzlich und dabei dennoch immer auch sehr weise. So ist die Autorin, so sind ihre Bücher. Marie-Sabine Rogers dritter Roman ist vielleicht ihr bisher bester. Absolute Leseempfehlung!
Die harten Fakten:
Marie-Sabine Roger – Das Leben ist ein listiger Kater.
19,99 €
erschienen im Atlantik Bücher Verlag
ISBN: 978-3-455-60002-5

Ich bedanke mich beim Atlantik Bücher Verlag für die kosten- und bedingungslose Bereitstellung dieses Rezensionsexemplares!

5 Gedanken zu „Marie-Sabine Roger – Das Leben ist ein listiger Kater

  1. Goldkind

    Bereits beim Anklicken dachte ich mir, wie herzig das Cover doch ist. *hihi*

    Vermutlich würde ich das Buch durch meine Erfahrungen auf der ITS etwas anders sehen, aber du klingst so begeistert! Manchmal habe ich ja auch Anwandlungen, dann landet schon mal ein "Veronika beschließt zu sterben" auf meinen Lesestapel (und an dieser Stelle würde ich jetzt auch diesen Roman einordnen… ^^)
    Vielleicht gebe ich dem mal eine Chance!

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    1. palandurwen Artikelautor

      Ich habe um ehrlich zu sein Veronika nie gelesen, auch wenn ich es mir immer mal wieder überlege, dass ich das doch noch tun wollte *gg
      Darum kann ich gar nicht genau sagen, ob die beiden Bücher sich ähnlich sind oder nicht. Aber ich weiß, dass ich auf jeden Fall den listigen Kater sehr niedlich und amüsant fand ^^
      Ich leih es dir gerne, wenn du magst 😉

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  2. Pingback: Auf Wiedersehen, Zweitausendvierzehn! | palandurwen.de

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