Francoise Dorner – Die letzte Liebe des Monsieur Armand

Ihr Lieben! 
Zum Wochenende gibt es zur Abwechslung mal wieder eine kleine Buchbesprechung. Für den Urlaub hatte ich mir ja einiges zu lesen mitgenommen. Neben dem bereits rezensierten „Metamorphose am Rande des Himmels„, wollte ich auch ein Buch unbedingt haben, welches ich einige Wochen zuvor per Zufall im Buchgeschäft gesehen hatte. Ich ließ es zwar da, weil ich noch genug anderes zu rezensieren hatte, aber so wirklich aus dem Kopf wollte es mir nicht gehen. Also kurz vor knapp nochmal Amazon strapaziert und quasi zwei Tage vor der Angst kam es dann an: Francoise Dorners „Die letzte Liebe des Monsieur Armand“:

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„Im 82er habe ich sie zum ersten Mal gesehen. Sie saß mir, im hinteren Teil des Busses, gegenüber und schaute gedankenverloren zum Fenster hinaus. Sie war nicht wie andere Mädchen ihres Alters. Während ich mich zum Aussteigen bereit machte, erlaubte ich mir einen Blick auf ihren Nacken und sah,daß sich aus ihrem Haarknoten eine kleine Strähne gelöst hatte. Da hielt der Bus mit einem Ruck, und ich wurde gegen einen Mann geschleudert, der mich anblaffte: ‚Passen Sie doch auf!‘ Ich schlug mit dem Kopf gegen die Haltestange, mir entglitt mein Stock, und er fiel dem jungen Mädchen in den dunkelblauen Faltenrock. Als sei nichts dabei, nahm sie ihn einfach, gab ihn mir, und wir stiegen zusammen aus. 
Auf dem Trottoir fragte sie mich: ‚Geht es wieder? Oder soll ich Sie nach Hause bringen?‘ Noch benommen vom Aufprall, wußte ich nichts zu sagen; daß sich jemand um mich kümmerte, war ich nicht mehr gewohnt. (…) Ich nickte dankbar, und wir gingen nebeneinanderher, langsam, nur das Klacken meines Stocks begleitete unsere Schritte. Ich suchte nach Worten, einer unverfänglichen, höflichen Frage, doch fielen mir, aus der Übung geraten, nichts als Floskeln ein.“

Während der Philosoph im Ruhestand Armand sein Leben nur noch zu ertragen scheint, hat das von der jungen Pauline noch gar nicht wirklich angefangen, und doch ähnelt sie dem alten Herrn, den sie zufällig im Bus kennenlernt, erstaunlich stark. Diese Vertrautheit erkennt auch Armand und beschließt, für einen letzten Versuch seine um sich errichtete Höhle aus Selbstschutz, Trauer um seine verstorbene Frau und Frust wegen seiner undankbaren Kinder zu verlassen. Doch Pauline ist noch zu sehr mit ihrer nüchternen und berechnenden Art durchs Leben zu gehen beschäftigt, so dass sie die Gefühle ihrer neuen Bekanntschaft nicht wahrnimmt und ihn damit unbeabsichtigt zutiefst kränkt. Vom Leben in seinen Augen also erneut vor den Kopf gestoßen zieht Armand die einzige für ihn logische Konsequenz: Wenn die Welt ihn nicht mehr braucht, brauch er sie auch nicht mehr! 
Doch sein Selbstmordversuch missglückt und sowohl sein Sohn als auch Pauline beginnen sich ernsthaft Sorgen um den alten Herrn zu machen. Und während Armands leibliches Kind noch im vorwurfsvollen und verständnislosen Grollen erstarrt ist, fasst Pauline den Entschluss, dass dieser Mann der erste Teil ihrer neuen, selbst zusammengestellten Familie werden soll: Sie adoptiert ihn als ihren Großvater. Gemeinsam geht das ungewöhnliche Paar nun einen Weg, den sich beide wohl nie erträumt hatten – zurück ins Leben… 

Natürlich ist es wieder ein moderner, französischer Roman, der mein Herz bewegt hat. In dieser einzigartigen Art und Weise, wie eigentlich fast nur Franzosen schreiben können – so detailliert, so kleinteilig, so berührend, sanft, ohne erdrückend zu sein, mehr ein Streifen, ein beiläufiger Kontakt, der noch lange nachklingt – so schreibt auch die Autorin über diese ungewöhnliche Zusammenkunft. Mal aus der Perspektive des Armands, mal aus der Sicht der Pauline, so dass sich ein interessantes und einfühlsames Puzzel aus deren Beziehung ergibt. Was ihn kränkt, nimmt sie gar nicht wahr; was ihm unangenehm ist, wirkt auf sie normal. Doch nicht nur diese beiden sind gut ausgeformt – jeder Charakter hat so seine Züge bekommen und komplementiert ihre Welt. 
Die Sprache ist typisch französischer Stil, in dem ich mich ja doch immer gerne verliere. Und auch wenn das Ende überraschend kommt und ich mir hier wieder mal verstohlen eine kleine Träne aus dem Augenwinkel wischen musste, denke ich, dass es gut so ist, wie es gekommen ist. 
Mein Fazit: Eine Geschichte, die jenseits von Begierde oder gezwungenen familiären Zusammenhalt von einer Beziehung, ja einer Liebe berichtet, die tiefer geht, als das normale zwischenmenschliche Miteinander. Ein sehr hübscher und lesenswerter Roman, der übrigens auch verfilmt wurde („Mr. Morgan’s Last Love“ – mit Michael Caine!!) und den ich mir sicher anschauen werde.
Die harten Fakten:
Francoise Dorner – Die letzte Liebe des Monsieur Armand.
7,90 €
erschienen im Diogenes Verlag
ISBN: 978-3-257-23903-4

ps.: das ist übrigens mein 400. Post!!! *yay ^^

2 Gedanken zu „Francoise Dorner – Die letzte Liebe des Monsieur Armand

  1. Goldkind

    Ich habe diesen Eintrag jetzt schon seit seiner Veröffentlichung als Tab offen, weil ich überlegt habe, ob ich dazu noch irgendwas anderes sagen kann als: Woa. Unsere Geschmäcker sind echt verschieden.

    … Aber mir ist nichts eingefallen.XD
    Außer vielleicht, das ich mich am Anfang (grade wegen dem Titel) sehr an Nabokov erinnert fühlte. Und das ist auch nicht schmeichelhaft. ^^

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    1. palandurwen Artikelautor

      *hihi das wissen wir doch 😉 Ich bin da auch keinem böse, ich weiß, dass ich in literarischer Hinsicht wohl eher eine Stellung inne habe, die die meisten als verkitscht oder langweilig empfinden, aber damit kann ich leben und bin auch keinem böse *grins ^^

      Übrigens – im Sinne von Nabokov ist es wirklich nicht, keine Sorge. ^^
      Aber die spontane Eingebung kann ich gut nachvollziehen, war mir auch gekommen, hat sich aber ganz schnell verflüchtigt 😉

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